Social Media in Museen und Orchestern – Interview mit Ulrike Schmid
Ulrike Schmid hat im Rahmen einer Studie das Social-Media-Engagement deutscher Museen und Orchester untersucht.
Die Ergebnisse hat sie auf der stART10 präsentiert, und nun war sie so nett, mir noch ein Interview für mein Blog zu geben.
Vielen Dank, Ulrike!
Karin Janner: Womit befasst sich die Studie? Was genau hast Du untersucht?
Ulrike Schmid: Die Studie untersucht die Social-Media-Aktivitäten von Orchestern und Museen, und zwar nicht nur anhand von Follower- und Fanzahlen. Mich hat vielmehr interessiert, wie Kultureinrichtungen Social Web in ihre Kommunikation einbinden, ob sie Gespräche mit ihren Stakeholdern führen und wie diese Gespräche aussehen.
Karin Janner: Warum die Fokussierung auf Museen und Orchester?
Ulrike Schmid: Beide Einrichtungstypen haben das Social Web schon früh für ihre Zwecke entdeckt. Man denke an die Duisburger Philharmoniker oder etwa an das Museum für Völkerkunde Leipzig. Mit der Gegenüberstellung zweier unterschiedlicher Disziplinen sollte allerdings auch eruiert werden, ob das Kommunikationsverhalten auch auf die Kommunikationsthemen zurückzuführen ist.
Karin Janner: Konntest Du in der Social-Media-Kommunikation Unterschiede zwischen Museen und Orchestern feststellen?
Ulrike Schmid: Auffälligster Unterschied ist, dass Orchester Video-Portale stärker nutzen als Museen. Außerdem werden ihre Videos wesentlich öfter und auch inhaltlich kommentiert. In der Art der Kommunikation gibt es allerdings kaum Unterschiede.
Karin Janner: Zur Untersuchung: Wie bist Du vorgegangen?
Ulrike Schmid: Insgesamt habe ich 474 Kultureinrichtungen untersucht, von denen allerdings nur 21 Orchester und 90 Museen im Social Web präsent waren. Die Zahlen beziehen sich auf Februar 2010, mittlerweile sind weitere hinzugekommen. Beispielsweise sind inzwischen rund 50 der 133 Orchester, die in der Deutschen Orchestervereinigung gelistet sind, mit einem oder mehreren Social-Media-Profilen vertreten.
Um ein objektives Bild zu erhalten, habe ich Plattform-spezifische Kriterien zur Analyse aufgestellt und die Aktivitäten von außen betrachtet. Am Beispiel Flickr war das beispielsweise die Eigendarstellung – also wie sich Kultureinrichtungen selbst beschreiben, ob es ein Profilbild gibt und ob zu anderen Social-Media-Profilen verlinkt wird. Dann auch wie die Anzahl, Art und Beschreibung der Fotos aussieht und natürlich auch, ob es Kommentare und Aktionen zur Einbindung der Freunde gibt. Anhand dieser Kriterien habe ich dann fünf Monate lang jede Kultureinrichtungen angesehen und bewertet.
Karin Janner: Während der Untersuchung hast Du eine Menge Daten gesammelt. Könnten diese auch der jeweiligen Kultureinrichtung zu Verfügung gestellt werden?
Ulrike Schmid: Ja, bei Interesse kann ich anhand der gesammelten Daten jeder untersuchten Kultureinrichtung individuell mitteilen, was mir besonders positiv aufgefallen ist und bei welchen Plattformen sie noch Optimierungspotenzial hat.
Karin Janner: Welches sind die Haupterkenntnisse?
Ulrike Schmid: Von den Untersuchten nutzen 16 % der Orchester und 26 % der Museen Social Media. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2010 haben Museen in etwa genauso viele Profile angelegt, wie im gesamten Jahr 2007 (7 %). Lediglich 39 % der untersuchten Orchester und 37 % der untersuchten Museen nutzen mehr als drei Tools und Netzwerke.
Am populärsten ist das soziale Netzwerk Facebook (Orchester 62 %, Museen 70 %), gefolgt von den Videoplattformen YouTube und Vimeo (Orchester 43 %, Museen 32 %) sowie dem Mikroblogging-Dienst Twitter (Orchester 38 %, Museen 61 %).
Eine Vernetzung der einzelnen Profile untereinander und die Einbindung der Social-Media-Elemente auf der Homepage finden nur selten statt. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass die Einbindung von Social Media in die Gesamtkommunikation nicht sehr ausgeprägt ist. Eine Interaktion mit Stakeholdern findet selten statt. Es gibt wenig Aktionen, wie Wettbewerbe, Abstimmungen oder dass die Freunde und Fans um Feedback gebeten werden.
Karin Janner: Das ist exakt das Bild, das sich mir in meinen Seminaren und Workshops bietet. Facebook ist im Moment der große Renner, da wollen alle dabei sein. Interaktion wird zögerlich begonnen, oft gehemmt durch die Angst vor negativen Kommentaren und durch personelle Knappheit.
Blogs sehe ich wenige, und die Vernetzung der Tools funktioniert in den seltensten Fällen. Grund dafür ist oft, dass einfach niemand in der Einrichtung weiß, wie man das macht.
Wie lautet das Resümee Deiner Studie?
Ulrike Schmid: Momentan sieht es so aus, als sei Facebook das Allheilmittel. Wenn eine Kultureinrichtung ein Profil anlegt, dann bei diesem sozialen Netzwerk. Aufgefallen ist auch, dass wenig Dialog bzw. Austausch mit den Freunden und Fans stattfindet. Die Vernetzung der einzelnen Profile untereinander findet nicht konsequent statt. Es ist die Tendenz zu erkennen, dass die Social-Media-Profile zunehmend auf der Website eingebunden werden. Eine Einbindung von Social Media in die Gesamtkommunikation ist noch nicht sehr ausgeprägt. Ein strategisches Vorgehen scheint in der Anfangsphase zu stecken.
Die Untersuchungen im Rahmen der Studie haben bewiesen, dass es einen eindeutigen Trend zur Investition in Social Media gibt und die Entwicklung in diesem Bereich sehr dynamisch verläuft: Die Zahl der Kultureinrichtungen, die Social-Media-Profile anlegen, steigt stetig. Ebenso lässt sich diese Dynamik an der Einbindung der Social-Media-Elemente auf der Website nachweisen.
Eine hohe Übereinstimmung ist bezüglich der Beliebtheit einzelner Social-Media-Kanäle bei den untersuchten Kultureinrichtungen festzustellen.
Karin Janner: Wird es eine Fortsetzung geben?
Ulrike Schmid: Das ist noch
offen. Das Projekt
war ja doch recht zeitintensiv. Wenn ich es fortsetze, dann in einer etwas anderen Form. Was ich allerdings beibehalten will sind die Interviews mit den Repräsentanten der Kultureinrichtungen. Durch diese Interviews möchte ich meinen Beitrag leisten, um den Social-Media-Auftritt von Kultureinrichtungen zu begleiten und dass er weiter professionalisiert wird.
Karin Janner: Vielen Dank für das Interview, Ulrike, und bitte halte mich auf dem Laufenden bezügl. einer Fortsetzung. Die Interviews auf Deinem Blog lese ich ja immer…
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Die komplette Studie kann unter www.kulturzweinull.eu heruntergeladen werden.
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Ulrike Schmid ist Inhaberin der Frankfurter Kommunikationsberatung u.s.k., die sich auf die Verbindung von Kultur-PR und Social Media spezialisiert hat. Seit mehr als drei Jahren befasst sie sich mit dem Thema Social Web für Kultureinrichtungen, bloggt rund um die Themen Kultur, Kultur-PR und Social Media und war u. a. Sprecherin bei der stART09 und stART10.
Es ist toll, dass wir das Thema Social Media und Kultureinrichtungen jetzt auf einer soliden empirischen Grundlage diskutieren können. Eine Fortsetzung dieser Forschungen fände ich deshalb außerordentlich wertvoll.
Interessante Ergebnisse, – vielen Dank für das Interview!
[…] ausführliche Interview finden Sie hier. var addthis_pub = ''; var addthis_language = 'en';var addthis_options = 'email, favorites, digg, […]
Ich finde die Studie auch sehr aufschlussreich – hoffentlich lesen diese auch die betroffenen Kultureinrichtungen! Freue mich auf Updates in Ulrikes Blog.
Zu: „Aufgefallen ist auch, dass wenig Dialog bzw. Austausch mit den Freunden und Fans stattfindet“:
Wir haben die Erfahrung gemacht, daß Reaktionen und Kommentare über die Verknüpfung von Freunden auf deren persönlicher Profilseite auf Facebook läuft. Also weniger Reaktionen bei unseren Projekten auf der Facebook Projektseite, Gespräche, Reaktionen und Kommentare werden transportiert auf den jeweiligen persönlichen Profilseiten der Leute. Diese Reaktionen für einen Report zusammenzuzählen ist äußerst mühsam, da weit verzweigt. Somit heißt wenig Gespräche oder Reaktionen auf der Projektseite selbst, heißt nicht unbedingt, daß nichts los ist. Wichtig ist tatsächlich, daß ein Museum oder Projekt den Dialog führen muß. Auch wenn man da ein bißchen weitverzweigter auf Facebook arbeiten muß.
Dazu passt ganz gut die Studie „Social Media Marketing in Kunst und Kultur“, die Helge Kaul vom Institut für Kulturmanagement in Winterthur verfasst hat. Die Studie kann man hier bestellen, ich selbst habe darüber ein Blogpost geschrieben.
@Karin Das Interview hab ich dir doch gern gegeben.
@Michael @Hagen Schaun wir mal …
@Burkhard Teilweise habe ich die Erfahrung auch gemacht, dass auf den Profilseiten der Mitarbeiter oder Freunde diskutiert wird. Das finde ich äußerst sinnvoll, weil man damit eine ganz andere Reichweite erreicht. Es gibt aber auch einige Fanseiten oder Twitter-Accounts, wo überhaupt nicht reagiert wird.
[…] Social Media in Museen und Orchestern – Interview mit Ulrike Schmid […]
Ein gut geschriebener Artikel der wirklich meine Interesse geweckt hat.
Grüße aus Frankfurt
Sabrina
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