Serie: Kampagnen im Kulturbereich: Marion Schwehr über das Buchprojekt „Universalcode“

Im Zuge der Recherche für meinen Vortrag bei der re:campaign bin ich auf die Idee gekommen, hier in meinem Blog eine neue Serie zu starten: „Kampagnen im Kulturbereich“ . In Form von Berichten und Interviews will ich zeigen, was im Kulturbereich so los und möglich ist, Schwerpunkt sind Social Media + Transmedia Kampagnen. Ob die Ziele Absatzmarketing/ Verkauf, Beschaffungsmarketing (Sponsoring, Fundraising, Crowdfunding) oder eine Verbesserung des Image sind, ist egal – Hauptsache, es wurden innovative Wege eingeschlagen, um diese zu erreichen.

Wer sich zum Interviewpartner berufen fühlt oder selbst sein Projekt als Gastautor vorstellen möchte – bitte gerne melden!

Mein erstes Beispiel ist dieKampagne zum  Buchprojekt „Universalcode“. Im Interview: Marion Schwehr, Initiatorin und Betreiberin der Buchplattform euryclia.

Wenn Autoren und Leser gemeinsam Party machen!

Das Buch „Universalcode“  wird gerade geschrieben und von den zukünftigen Lesern vorfinanziert – über die Plattform euryclia.  Es soll im Juli erscheinen und hat zum jetzigen Zeitpunkt schon über 700 „Miniverleger“ gefunden. Damit ist es finanziert und kann geschrieben und produziert werden. Die Mikroverleger wurden von Anfang an einbezogen, konnten über die Inhalte des Buches mitbestimmen und sind zur Buchpremieren-Party eingeladen.

Ich habe Marion Schwehr, die Initiatorin und Betreiberin dieser Plattform, um ein Interview gebeten:

1. Was ist „Universalcode“, wer hat das Projekt ins Leben gerufen und wie ist man vorgegangen?

Der „Universalcode“ ist ein (Sach- oder Fach-)Buch über die Frage, wie das Internet den Journalismus verändert. Christian Jakubetz postete letzten Herbst auf seinem Blog, dass man so ein Buch mal machen müsste. Kurz drauf haben sich mehrere Mitstreiter gefunden, inzwischen sind es 18 Journalisten, die zusammen dieses Buch schreiben. Christian Jakubetz hat die gesamte Entwicklung (Idee, Autoren, Thesen, Exposés, Leseproben, usw.) nach und nach auf seinem Blog gepostet und damit das ganze Projekt sehr eng mit den Lesern zusammen vorangebracht.

2. Was war/ist das Ziel dieses Projektes?

Natürlich wollen die Autoren hier ein spannendes und fundiertes Buch machen. Aber mit dem fertigen Buch hört dieses Projekt nicht auf. Ziel ist es über das Erscheinen des Buches hinaus, eine Community zu dem Thema „Wie funktioniert Journalismus heute“ aufzubauen. Deshalb ist es so wichtig, die Leser eng in das Projekt zu involvieren. So fiel die Entscheidung, mit wem das Buch umgesetzt werden soll, die interessanterweise auch auf dem Blog mit der Zielgruppe diskutiert wurde, auf euryclia.

3. Könntest Du diese Plattform in ein paar Stichworten beschreiben?

Bei euryclia entscheidet der Leser, was zum Buch wird. Und zwar über das Subskriptionsmodell. Kommt eine bestimmte Anzahl an Vorbestellungen für ein Manuskript/Buchprojekt zusammen, dann wird dieses Buch professionell produziert. Die Rechte an den Texten bleiben dabei bei den Autoren. euryclia agiert für die Autoren als Dienstleister. Für die Autoren hat das den Vorteil, dass die Produktionskosten des Buches über die verbindlichen Vorbestellungen getragen werden. Der Leser wird also über die Vorbestellung des Buches zum „Mini-Verleger“. Und dieser Ansatz passt eben sehr gut zum „Universalcode“ und der engen Einbindung der Leser in die Entstehung dieses Buches.

3. Wie ging es dann weiter mit dem Projekt? Welche Aktionen (Timeline?) wurden durchgeführt, welche Kanäle bedient?

Über allem stand die Frage, wie bringt man Autoren und Leser zusammen. Natürlich gab es weiterhin die Updates zum Projekt auf JakBlog und auf Facebook .
Zum Start der Vorbestellungsphase (Mitte Januar) kam uns die Idee, eine Party zu machen, wenn das Buch herauskommt. Die Leute, die das Buch auf den Weg gebracht haben, Autoren und Leser/Vorbesteller könnten das miteinander feiern. Die ersten 50 Vorbesteller sollten zur Party eingeladen werden. Es hat keine Stunde gedauert bis die ersten 50 beisammen waren. Danach gab´s einen Knick. Die Bestellungen gingen viel, viel langsamer ein. Da war mir klar, dass diese Party für die Leute interessant ist. Klar, dass sich angehende Journalisten oder solche, die was dazulernen wollen, gerne mit den Buchautoren, die in ihren Bereichen bereits einen Namen haben, vernetzen wollen. Das haben wir für die Verbreitung des Universalcodes genutzt.

Ãœber ein Widget, das ich kontinuierlich pflege, kann die Entwicklung des Manuskripts hin zum fertigen Buch mitverfolgt werden.
(das Widget am besten gleich direkt einbauen: über den grünen embed-Button ;-))

Dieses Widget kann ganz leicht in Blogs und Websites eingebunden werden. Und jeder, der es bei sich einbindet, bekommt eine Einladung zur Buchpremierenparty. Inzwischen haben es 96 Blogs eingebunden. Auf dieses Widget kamen inzwischen (in knapp 3 Monaten) über 100.000 Views zustande. Das ist einfach unglaublich! Um die Zahl einzuordnen: über 100 Verlage nutzen das book2look-Widget. Bisher gibt es Widgets zu ca. 15.000 Büchern. Der Universalcode ist mit seinen 100.000 Views auf Platz 1 des View-Rankings. Platz 2 mit 40.000 Views hat Adler-Olsens „Schändung“ von dtv, also ein Bestseller. Und die Views nehmen weiter zu. Seit letzter Woche haben wir 11.000 weitere dazubekommen. Toll im Sinne „viraler Effekte“ ist, dass die Blogs, die das Widget neu einbauen, es sich nicht mehr auf JakBlog, euryclia oder book2look holen. Es verbreitet sich inzwischen von Blogs weiter, die wir vorher gar nicht kannten.

Andere Kanäle, die bedient wurden und zur Verbreitung der Idee beitragen, sind YouTube (Kanal von Christian Jakubetz, z.B.Video-vorstellung der Autoren und ihrer Ideen), die Blogs vom Mitherausgebern und Mit-autoren (z.B. Ulrike Langer), Facebook, Twitter (Account Christian Jakubetz)

4. Wie ist der Stand der Dinge? Wurde/wird das Ziel erreicht?

Diese vielen Blogs und Views schlagen sich auch (aber natürlich nicht in dem Maße) in Vorbestellungen nieder. Derzeit haben wir 723. Das ist für ein Buch, das gerade erst geschrieben wird, recht viel Vorschussvertrauen. Damit ist die Herstellung des Buches bereits finanziert. Der Universalcode wird im Sommer erscheinen. Und dann gibt´s endlich die Party, auf die sich die Autoren und viele der Leser schon freuen.

Schön ist auch, dass über das Widget und jeden weiteren Blog, der es einbaut, die Community im Netz schon sichtbar wird. Man kann also bei der Entstehung dieser Community tatsächlich zuschauen.

5. Was sind/waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Die Leser früh und permanent einbinden!
Beim „Universalcode“ läuft vieles parallel und genau dies ist ein zentraler Unterschied zum herkömmlichen Vorgehen von Autoren und Verlagen. Beim „Universalcode“ wird noch am Buch geschrieben und man kann es gleichzeitig schon bestellen. Da wird noch über Thesen diskutiert und gleichzeitig schon das Widget im Netz verbreitet. Autoren haben ja normalerweise eine höllische Angst, dass ihre Ideen von anderen geklaut werden könnten, deshalb bleibt alles im stillen Kämmerchen. Wenn Autoren über ihre Arbeit bloggen, dann normalerweise nur darüber, dass sie gerade an etwas Tollem arbeiten. Reinschauen ist da nicht. Der „Universalcode“ zeigt aber, dass es sich lohnt schon frühzeitig auf die Zielgruppe zuzugehen und sie einzubinden. Und zwar ernsthaft. Also zuhören und genau hinschauen, was die Leser tatsächlich wollen, wie z.B. die Sache mit der Party, die sicherlich für die Verbreitung des Widgets wichtig war.

6. Gibt es weitere Pläne und wenn ja, wie schauen die aus?

Natürlich wollen wir an der Widget-Sache weiterarbeiten. Wir sehen ja momentan welches Potential darin steckt. Wir wollen im nächsten Schritt jedem Blog, von dem aus über das Widget ein Exemplar des „Universalcodes“ bei uns bestellt wird, eine Provision geben. Als Anerkennung des Beitrags, den der einzelne Blog zum Erfolg von „Universalcode“ leistet. Ich grübele gerade darüber wie wir das technisch umsetzen.

Vielen Dank, Marion!

Links:

JakBlog: Universalcode – Das Buch zum digitalen Journalismus
JakBlog: Blogposts über das Buchprojekt (eigene Kategorie)
book2look Widget: http://www.book2look.de (kostet einmalig 40 Euro)
book2look Widget Universalcode
Plattform euryclia


Marion Schwehr

Marion Schwehr absolvierte ihr literaturwissenschaftliches Studium in München, Moskau und Prag. Seit 1998 leitet sie unterschiedliche Projekte in den Bereichen e-Business, Knowledge Management und zur Entwicklung strategischer Geschäftsthemen. 2010 gründete sie die Internetplattform euryclia, um ein Experimentierfeld für neue Möglichkeiten im sich verändernden Literaturbetrieb zu eröffnen. Darüber hinaus arbeitet Marion Schwehr an der Entwicklung und Umsetzung innovativer Literaturprojekte, wie z.B. Streetview Literatur – einem Projekt, das Kurzgeschichten vieler, verschiedener Autoren anhand von Straßenkarten miteinander verknüpft, so dass Geschichten über fiktive Personen und Wege im Realen erlebbar werden.