Livekritik – das Rezensionsportal für Kulturveranstaltungen ist gestartet. Interview mit dem Gründer Rod Schmid.
Als mich Rod Schmid von Livekritik im April gefragt hat, ob ich ihn in der Kommunikation für sein Startup unterstützen möchte, habe ich nicht lange gezögert, „ja“ zu sagen. Denn ich denke, dass seine Idee für Kulturbesucher wie für Kulturbetriebe sehr hilfreich ist:
Livekritik ist ein Portal, das Besucher-Rezensionen zu Kulturveranstaltungen (Theater, Kabarett, Sonderausstellungen, Kinderveranstaltungen) sammelt. Besucher können ein Profil anlegen und ihre Meinung zu z.B. Theateraufführungen abgeben, die sie genossen haben.
Im Unterschied zu Nachtkritik, bei dem ausgewählte Redakteure über ausgewählte Veranstaltungen berichten, kann bei Livekritik jeder seine Meinung kundtun. Ziel ist es, zu möglichst vielen Kulturveranstaltungen (auch zu solchen, die in Stadtmagazinen oder bei Nachtkritik keine Erwähnung finden) Eindrücke, Gedanken und Assoziationen einzusammeln, die Besucher dazu äußern.
Eine Hilfe von Besuchern für Besucher, die auf der Suche nach der passenden Veranstaltung sind. Eine Plattform, auf der sich Besucher bei Veranstaltern bedanken können und über ihre Empfehlung ihre Wertschätzung öffentlich zeigen können. Eine Seite, auf der Besucher auch äußern können, was ihnen nicht so gut gefallen hat oder was sie sich fürs nächste Mal wünschen würden.
Ich bin ein großer Fan von Bewertungs- und Diskussionsportalen, lese bei Amazon Rezensionen, bevor ich mir ein Buch kaufe und bei Qype Bewertungen, bevor ich ein neues Lokal für ein Treffen aussuche. Ich denke, dass Livekritik gute Chancen hat, sich als wichtige Plattform für Kulturveranstaltungen zu entwickeln. Ich mache mir aber keine Illusion, was die Aufbauarbeit betrifft: Um die Seite mit Leben zu füllen und Kulturfreunde zu regelmäßigen Stellungnahmen und zum Austausch zu motivieren ist ganz schön viel Arbeit nötig.
Die Idee stößt überall auf positive Resonanz: Bei Veranstaltern, (potenziellen) Partnern und Besuchern.
Ich wünsche Livekritik, dass viele Besucher sich angesprochen fühlen und wir die Plattform gemeinsam bald mit Leben füllen. Das funktioniert nur gemeinsam. Wir alle sind Livekritik
Damit Ihr Euch gleich ein Bild machen könnt, habe ich Gründer Rod Schmid um ein Interview für das Kulturmarketing Blog gebeten:
1. Livekritik – Rezensionen zu Kulturveranstaltungen von Besuchern für Besucher. Was hat Euch veranlasst, ein solches Portal auf die Beine zu stellen?
Die Grundidee hatte ich, als ich selbst für mich nach Kabarettveranstaltungen, Theateraufführungen oder für meine Kinder nach Kinderveranstaltungen im Internet Ausschau gehalten hatte und sich meine Suche oft sehr aufwendig gestaltete. Natürlich gibt es 1000 Veranstaltungskalender im Netz, aber da steht immer nur der Veranstaltertext drin und dann gibt es die Seiten der Ticketverkäufer – in der Regel auch sehr werblich. Aber ich wollte erfahren, was sagen andere Besucher dazu, finden sie es interessant, langweilig, alters- und kindgerecht, wie beurteilen sie die Atmosphäre, auf welche Art von Abend kann ich mich einstellen? Diese Informationen fand ich fast nie oder irgendwo im Netz versteckt und ich dachte, dass es unglaublich wertvoll wäre, wenn es ein Portal gäbe, das Besucherrezensionen bündelt und konkreten Dialog über einzelne Inszenierungen möglich macht.
2. Gibt es bereits ähnliche Angebote oder seid Ihr die ersten, die auf diese Idee gekommen sind? Welche Plattformen oder Portale (vielleicht aus anderen Gebieten) dienen Euch als Vorbild oder Inspirationsquelle?
Das Portal in dieser Form und Ausrichtung ist neu. Natürlich bieten einzelne Kulturveranstalter, Stadtmagazine und Ticketverkäufer teilweise auch Besucherrezensionen und -bewertungen an. Wir sind uns aber sicher, dass eine unabhängige, wertige Plattform, auf der alle Arten von Kulturveranstaltungen besprochen werden, langfristig Vorteile für Besucher und Kulturschaffende bietet. Stadtmagazine haben, je nach Qualität, ihre regionalen Communitys, aber Kulturveranstaltungen sind oft überregional, wenn Kabarettisten, Autoren oder Sänger ihre Tourneen durch Deutschland machen – bei welchem Stadtmagazin sollen da sinnvollerweise Besucherrezensionen gesammelt werden?
Wir haben also kein konkretes Portal zum Vorbild genommen, aber wir haben uns natürlich angeschaut, welche gut gemachten Kulturmagazine und welche Rezensionsportale es im Netz gibt und haben auch Webstandards für Bewertungen und Communitys übernommen.
3. Es ist eine schöne Idee, Rezensionen von Besuchern zu sammeln. Aber es macht für einen Besucher richtig Arbeit, Rezensionen zu verfassen – und nicht jeder Kulturbesucher ist es gewohnt, seine Meinung im Internet preiszugeben. Wie tretet Ihr an die Leute heran, und wie bringt Ihr ausreichend viele Leute dazu, regelmäßig Rezensionen zu verfassen, um das Portal mit Leben zu füllen?
Wir wissen aus Studien und haben selbst die Erfahrung gemacht, dass Social Media für die Menschen heutzutage in jeder Phase eines Kaufprozesses dazugehört. Wir informieren uns im Vorfeld online über das Angebot und vertrauen Nutzerrezensionen, wir schließen den Kauf selbst oft online ab und viele von uns möchten eben auch danach berichten. Zudem kommt ein wichtiger psychologischer Aspekt hinzu: Wenn mir die Menschen auf einer Seite geholfen haben bei der Auswahl eines schönen Kulturereignisses, dann kann ich mich dafür mit einer eigenen Rezension bedanken und wiederum anderen helfen. Und ich kann in einen Dialog treten und mich über die Oper, das Konzert oder die Ausstellung austauschen, denn natürlich hat mein Gegenüber mit seinem Hintergrund die Veranstaltung ganz anders empfunden und erlebt. Dass so etwas sehr gut funktionieren kann, zeigen uns Seiten wie amazon.de mit teilweise sehr ausführlichen und fundierten Buchbesprechungen. Wie treten wir an die Leute heran? Auf mehreren Wegen und Kanälen. Wir arbeiten z. B. mit regionalen Kulturinitiativen wie dem Berliner Theaterclub e.V. zusammen, der seine kulturinteressierten Mitglieder sehr erfolgreich mit unserem Angebot vertraut macht.
4. „Gewinnen Sie Klarheit bei der Veranstaltungsauswahl dank qualifizierter Kritiken“, das ist auf Eurer Website zu lesen (Link zu „über uns“). Die Kritiken bei Livekritik schreibt – im Gegensatz zu Nachtkritik – kein Team von professionellen Kritikern, sondern Besucher mit unterschiedlichem Hintergrund und Bildungsniveau. Wie wollt Ihr die Qualität der Kritiken sichern?
Ehrlich gesagt: Möglichst gar nicht. Wir sprechen mit unserem Auftritt eine kulturaffine Zielgruppe an und vertrauen unseren Besuchern. Zum zweiten können unsere Nutzer und Besucher jede Kritik selbst für sich als hilfreich oder nicht hilfreich einstufen. Die hilfreichen Kritiken wandern nach oben, die weniger hilfreichen geraten aus dem Blickfeld der Betrachter. Wir glauben nicht daran, dass nur Kulturwissenschaftler oder Feuilletonisten über Kultur schreiben dürfen und die Kulturbesucher lediglich die Eintrittskarten kaufen und am Ende der Vorstellung klatschen. Auf unserem Portal muss sich auch die Hochkultur der Diskussion mit den Kulturbesuchern stellen und wir vertrauen darauf, dass es eine für beide Seiten fruchtbare Diskussion wird.
5. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Kann sich jeder interessierte Kulturbesucher bei Euch anmelden und loslegen oder gibt es Zugangsbarrieren?
Es gibt keine Zugangsbarrieren, einfach registrieren und loslegen. Sie können sich mit Ihrem richtigen Namen oder einem Phantasienamen anmelden. Und als Kulturprojekt aus Deutschland ist uns der Datenschutz sehr wichtig. Ihre richtige E-Mail-Adresse wird zum Beispiel nirgends auftauchen. Sinnvoll ist auf jeden Fall aber noch die Angabe der Postleitzahl, damit wir Ihnen Veranstaltungen aus Ihrer Region empfehlen können.
6. Livekritik kann ich ja auch nutzen, wenn ich nicht Kritiken schreiben, sondern nur für mich eine passende Veranstaltung suchen möchte.
– Nach welchen Parametern kann ich suchen?
– Muss ich mich anmelden, um die Rezensionen lesen zu können oder werden
diese auch über Google gefunden?
– Am wertvollsten sind für mich Rezensionen von Leuten, die einen ähnlichen Geschmack wie ich haben. Kann man sich bei Livekritik solche
Leute suchen und ihnen „folgen“ oder sich mit ihnen „befreunden“? Und gibt es die Möglichkeit, Kontakte aus anderen Netzwerken (v.a. Facebook)
zu importieren?
Ja, klar, die meisten Leute wollen sich erst einmal informieren. Sie können Veranstaltungen nach Ort, Datum, Zeitraum und Kategorie filtern. Damit ist eine sehr komfortable und einfache Suche gewährleistet. Und Sie können sich bei Ihrer Suche auch einzelne Veranstaltungen merken. So kann man bequem weitersuchen und verliert seine Favoriten nicht aus den Augen. Die einzelnen Rezensionen werden auch bei Google gefunden und können über Facebook und Twitter weiterempfohlen werden und sie können von allen gelesen werden – auch ohne Anmeldung.
Eine Folgen-Funktion der Livekritiker für favorisierte Livekritiker und die Anmeldung über Facebook sind als weitere Schritte in Kürze geplant.
7. Welche Partner konntet Ihr bereits gewinnen und wie arbeitet Ihr mit diesen zusammen?
Ein Projekt der Größenordnung livekritik.de, das ja auch, idealistisch gesprochen, für einen offenen, interessierten und kritischen Geist in dieser Gesellschaft steht, können und wollen wir nicht alleine verwirklichen. Daher sind wir stolz auf unsere bisherigen Kooperationspartner, wie die Stiftung kulturserver gGmbH, den Berliner Theaterclub e.V. oder die Literaturagentur Schoneburg mit denen wir auf ganz unterschiedliche Weise, z. B. im Rahmen von Contentpartnerschaften, zusammenarbeiten. Weitere Kooperationen stehen vor dem Abschluss. Wir haben einen ersten Schritt und ein Angebot gemacht – wir sind für kritische Anregungen und neue, inhaltlich fundierte Kooperationsangebote offen.
Generell sehen wir uns in erster Linie als Partner der Kulturinteressierten und der Kulturschaffenden. Besucher vertrauen Bewertungen anderer Besucher mehr als redaktionellen Artikeln und daher ist es für Veranstalter sehr wichtig, dass sie bei uns rezensiert werden. Nicht umsonst bekommen wir seitdem das Portal live ist Anfragen von Kultureinrichtungen nach Informationsmaterial, wie Flyer und Aufkleber, damit die Besucher über ihre Veranstaltungen berichten. Denn nichts ist für Kulturveranstalter wertvoller als Besucherempfehlungen. Und dieser Trend wird sich noch verstärken.
8. Und nun zur letzten Frage: Wie finanziert sich das Projekt und wie ist die Finanzierung für die Zukunft geplant?
Ein Projekt, das so viele Vorteile bietet für Kulturinteressierte und Kulturveranstalter, wird sich um seine Mitstreiter und seine Finanzierung nicht lange Gedanken machen müssen. Wir stoßen überall auf breites Interesse. Im Moment werden wir getragen von kulturinteressierten privaten und öffentlichen Investoren. Mittelfristig ist in der Hauptsache eine Finanzierung über Werbung in einem interessanten und anspruchsvollen Umfeld geplant. Wir wollen als wertige und zeitgemäße Plattform die erste Adresse für Kulturinteressierte in Deutschland werden, die detailliert, individuell und kostenlos über Kulturveranstaltungen informiert werden möchten.
[…] und Social Media verantwortlich, und habe auch schon im Kulturmarketing Blog berichtet (Interview mit Gründer Rod Schmid und Bericht über eine […]