Social Camp Berlin – Rückblick
Vergangenes Wochenende (14./15. Juni) hat in Berlin das erste deutschsprachige „Social Camp“ stattgefunden.
Was ist ein Social Camp?
„Das Socialcamp ist wie ein BarCamp ist eine Ad-hoc-Nicht-Konferenz (engl. Un-Conference), die aus dem Bedürfnis heraus entstanden ist, dass sich Menschen in einer offenen Umgebung austauschen und voneinander lernen können. Es ist eine intensive Veranstaltung mit Diskussionen, Präsentationen und Interaktion der Teilnehmer untereinander.“ (Quelle: Social Camp Berlin/ Philosophie)
Hier der entsprechende Wikipedia-Eintrag, auch dieses Video vom Barcamp in Köln 2007 gibt einen guten Überblick, wie so etwas abläuft.
„Klassische“ Barcamps beschäftigen mit Web-2.0-Themen (z.B. Webanwendungen in frühem Stadium, Open-Source-Technologien, Social Software). Der Fokus des Socialcamps liegt auf der Vernetzung von Online-ExpertInnen und VertreterInnen gemeinnütziger Organisationen.
Worüber wird geredet?
„Die Themenspanne steht und fällt mit den TeilnehmerInnen: Vom Erfahrungsaustausch über bereits existierende Angebote bis hin zur Entwicklung völlig neuer Ansätze ist alles möglich.“
Mitarbeit aller Teilnehmer
Von den Teilnehmern wird verlangt, dass sie sich auf irgend eine Weise einbringen – indem sie selbst eine Session abhalten, bei einer Session unterstützend mitwirken oder sich an der Organisation beteiligen. Dafür ist die Teilnahme kostenlos.
Vertreten waren
einerseits Online-Marketing-Experten und Leute aus der Web 2.0-Szene, andererseits Vertreter sozialer Einrichtungen und Initiatoren sozialer Projekte.
Aus dem Kulturbereich gab es nicht so viele Vertreter; für mich war die Veranstaltung aber trotzdem sehr interessant, da Kulturmarketing und Sozialmarketing vieles gemeinsam haben – bei beiden hat man hauptsächlich mit Non-Profit-Organisationen/ Non-Profit-Projekten zu tun.
Die Sessions
Einen Überblick über die Sessions am Samstag gibt es hier, über die am Sonntag hier.
Ich habe einige interessante Sessions besucht und auch selbst eine abgehalten.
Besonders interessant waren für mich folgende Sessions:
„Gutes Klima für gute Musik“,
bei der co2online (Netzwerk für den Klimaschutz) ihre aktuelle Kampagne „Gutes Klima für gute Musik“ vorstellte und zur Diskussion stellte.
Mit dieser Kampagne soll eine junge Zielgruppe für den Klimaschutz sensibilisiert werden.
„Musik kann langes Reden ersetzen und ohne moralischen Zeigefinger zum Nachdenken anregen“, meinte Tanja Loitz, Geschäftsführerin co2online gGmbH und Leiterin der Klimaschutzkampagne.
Die Organisatoren hatten Bands aufgefordert, für die Klimaschutzkampagne einen Song einzureichen. Gemeinsam mit einem Expertenrat wurden sechs Bands für die öffentliche Abstimmung ausgewählt. Die Abstimmung findet auf dem Portal www.klimaklicker.de statt (ein Portal, das Energiesparmöglichkeiten aufzeigt).
Neben ihren Klimasongs geben die Bands dort auch persönliche Spartipps.
Beworben wird die Kampagne besonders auf MySpace, gezählt wird dort natürlich auf die Multiplikatorfunktion der Bands, die ja dort schon ihren eigenen Fanclub haben.
Die Bands werden nicht bezahlt, die Belohnung ist ihre Promotion. Für eine Band, die noch nicht sehr bekannt ist, kein schlechtes Geschäft.
Als Abschluss der Kampagne wird es im August ein Konzert in Berlin geben, bei dem die Bands live auftreten.
Web 2.0 für NPOs – Wiki,
bei der Dr. Brigitte Reiser ihre Idee vorstellte, ein niedrigschwelliges Fach-Wiki zu starten, in dem Vertretern des deutschen Nonprofit-Sektors der Zugang zu Web 2.0-Themen nahe gebracht und so der Einstieg in diese Thematik erleichtert wird. Es soll eine sinnvolle Ergänzung zu den häufig technikorientierten und englischsprachigen Informationsangeboten werden.
„Es gibt schon zwei entsprechende englischsprachige Wikis von D.Wilcox und M.Martin (Links: http://nptechbestpractices.pbwiki.com/
http://socialmedia.wikispaces.com/). Das geplante Wiki soll sich aber von diesen durch folgende Punkte unterscheiden: 1. Es soll sich an ein deutschsprachiges Publikum ohne technische Vorkenntnisse wenden, 2. Das Wiki soll den Nutzen der Tools in den Mittelpunkt stellen, 3. Im Wiki sollen die NPO-Zielgruppen nach Sektoren differenziert werden (Soziales, Umwelt, Kultur etc.), um den Nutzen von Web 2.0 für die jeweilige Trägergruppe so konkret wie möglich herausarbeiten zu können, 4. Das Wiki berücksichtigt die hiesigen Strukturen und Produktionsbedingungen des Nonprofit-Sektors.
Für die Umsetzung dieser Idee sucht sie noch MitstreiterInnen, wer Interesse hat, meldet sich auf ihrem Blog: http://blog.nonprofits-vernetzt.de
„Virtuelle Teams in sozialen Projekten“,
bei der Markus Luther und Anne Wangrin die Problematik der Zusammenarbeit zur Diskussion stellten, wenn ein Team weit verstreut ist und hauptsächlich über das Internet kommuniziert. (Das Team selbst ist dann natürlich nicht virtuell, es handelt sich ja doch meistens um normale Menschen und nicht um Avatare ;-))
Anne Wangrin stellte in diesem Zusammenhang auch ihr Projekt- Weltretter.org vor, eine Plattform, auf der sich Teams zusammenfinden, die auf irgend eine Weise „die Welt verbessern“ wollen.
Kommunikation 2013 – Visionen, Wünsche, Träume:
Eine interessante und lebhafte Diskussion, geleitet von Joachim Klöckner
(Rederei.org). Die Diskussion läßt sich hier schwer in Kurzform wiedergeben, daher nur ein paar „Keywords“:
Papierform –> ePapier, personifizierte Kommunikation, Verschmelzung von realem mit virtuellem Raum, ergonometrische und intuitive Eingabegeräte, Sprachsteuerung statt Eingabetastatur, Handy mit Beamer, Echtzeitaufzeichnung beim Sprechen, Auflösung von Ich´s, weniger Angst vor den neuen Kommunikationstechnologien und mehr Freude daran, Medienkompetenz, Individuum im Kollektiv, kommunikative Nähe, GestzesWiki, dezentraler Aktivismus, direkte Demokratie, sichere digitale Wahlbeteiligung, Selbstverantwortung, Bewusstseinsevolution, Wissens- und Kulturalmende, Spass.
Social Networks am Beispiel von mixxt:
Nicole Ebber, verantwortlich für das Marketing bei mixxt (Anbieter eines Social-Network-im-Baukasten-Systems) stellte die Anwendungsmöglichkeiten von mixxt bei gemeinnützigen Organisationen vor und diskutierte Verbesserungsmöglichkeiten von mixxt.
open taz: Jan Michael Ihl, taz/Redaktionsentwicklung, über Ideen und Entwicklungsperspektiven der Taz, vor allem im Online-Bereich: diskutiert wird dort z.B. über Creative Commons Lizenzen und über den Einbezug von Bloggern.
Meine Session
hatte den Titel „Bloggende Theater, twitternde Museen, Fördervereine und Freundeskreise als Social Netwoks. Ist das Web 2.0 im Kukturbetrieb angekommen?“
Hier beschäftigten wir uns mit der Frage, wie Kulturangebote das Web 2.0 für ihr Marketing nutzen können.
Blogs, Podcasts, Twitter, YouTube, Flickr… welche Möglichkeiten gibt es, welche werden im Kulturmarketing schon eingesetzt?
Dazu habe ich einige
Best-Practice-Beispiele gebracht, die aus folgenden Blogeinträgen stammten:
Eyelevel. Blog des Smithsonian American Art Museum
Wann entdecken Theater das Web 2.0?
Social Network als Freundeskreis eines Kulturangebotes
In der Diskussion
stellten wir uns vor allem folgende Fragen:
Welche Ziele verfolgen Kulturbetriebe mit ihren Web 2.0-Angeboten, bzw. welche könnten sie damit verfolgen/ erreichen?
Wo sind die Potenziale, wo die Hindernisse? Argumente/ Gegenargumente?
Die ganze Diskussion kann ich hier nicht wiedergeben, aber ein paar Stichworte:
- Ziele und Potenziale:
Besseres Image der Einrichtungen und der einzelnen Künstler, Bekanntheit, Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, mehr Besucher, Besucherbindung, Beteiligung / Einbeziehen der Besucher, Sponsoren gewinnen, Weiterzahlung der Fördermittel (volles Haus –>gutes Argument für die Aufrechterhaltung der Zahlung), Kommunikation mit allen Anspruchsgruppen (Stakeholdern), den Besuchern „Appetit auf mehr“ machen, den Besuchern einen besseren Zugang zur Kultur verschaffen durch den „Blick hinter die Kulissen“, Kulturvermittlung… - Hindernisse und Gegenargumente:
Zeit- bzw. Personalproblem der Einrichtungen (bloggen, podcasten usw. ist sehr zeitaufwendig. Wenn es mir vor allem darum geht, darüber mehr Fördermittel zu bekommen, kann ich in der gleichen Zeit etliche Förderanträge schreiben…), fehlendes technisches Wissen, fehlendes Marketingwissen, fehlender Zugang zum Thema Web 2.0, keine Lust auf die „virtuelle Welt“, Angst, zu viel von sich preiszugeben, bei Theatern: Angst, keine Spannung und Vorfreude auf das Stück aufzubauen, wenn man vor der Premiere schon einen Trailer ins Netz stellt…
An meine Teilnehmer noch einmal vielen Dank für die angeregte Diskussion und die interessanten Beiträge!
Und wenn ich etwas Wichtiges vergessen habe: bitte hier gerne kommentieren, dann trage ich es noch nach.
Auch zwischen den Sessions
haben sich für mich sehr interessante Gespräche ergeben. Die Stimmung war gut, die Atmosphäre begünstigte angeregte Gespräche und kreative Gedankengänge.
Dokumentation der Workshops
Die Dokumentation der Workshops gibt es auf dem Socialcamp-Wiki.
Andere Blogger berichten
Blogeinträge gibt es z.B. auf Nonprofits.vernetzt.de, auf Alles-was-gerecht-ist, auf netzpolitik.org, alle weiteren sind hier im Wiki aufgelistet.
Medienberichte
Die taz berichtet hier über das Wochenende, und jetzt.de (Süddeutsche Zeitung) hier.
Sämtliche Medienresonanzen sind hier im Wiki aufgelistet.
In Kooperation mit der Bundeszentrale für Politische Bildung wurde ein Video gedreht. Sobald das im Netz zu sehen ist, wird es im Wiki verlinkt.
Fotos
vom Wochenende gibt es auf deutsche-startups.de.
Vielen Dank
an Markus Beckedahl, Basti Schwiecker Helpedia), das Organisations-Team, das Team von selfHUB, wo die Veranstaltung stattgefunden hat und an Jennifer Florin und Verena Auriga von Vogelfrei, die für den kulinarischen Teil zuständig waren!
Danke für die ausführliche Berichterstattung und die Verlinkung. Vielleicht animiert der Bericht die Zielgruppen aus dem Kulturbereich, demnächst ein ArtsCamp durchzuführen. Das wäre doch ein Thema für Dich?
Grüße
Brigitte
Ein artcamp wird es im September in Hamburg geben! Man kann sich schon in die mixxt-Community eintragen:
http://artcamp.mixxt.de/ (hab ich auch schon gemacht, es sind schon fast 50 Mitglieder drin)
Das Thema:
Eine Unkonferenz mit dem Thema “ Kunst und web2.0 – Berührungspunkte und Unpunkte der Berührung“.
Vielleicht hast Du ja auch Lust, zu kommen? Ist zwar nicht 100% Dein Thema, aber Überschneidungen gibt es bestimmt. Ich würde mich freuen!
Liebe Grüße, Karin
Danke Karin für den Bericht über das Social Camp. Das klingt sehr spannend und ich bin gespannt, ob das der Kunst- und Kulturbereich auch so hinbekommt. Dank Deiner Info habe ich mich gleich auf der Seite für das Artcamp angemeldet. Jetzt hoffe ich nur, dass der Termin möglichst bald bekannt gegeben wird.
Hilfreich finde ich es, dass Du in deinem Beitrag die „Hindernisse und Gegenargumente“ erwähnst. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass der Einsatz dieser Tools nur dann gerechtfertigt ist, wenn er den Kultureinrichtungen einen Mehrwert bringt (zeitgewinn, mehr Publikum, etc.). Daher muss man sich bei jeder Einrichtung genau anschauen, welches Tool sinnvoll ist.
Twitter ist z.B. derzeit noch nicht wirklich ein Thema. Ich nutze es zwar und ich profitiere auch davon. Es sind aber vor allem Infos rund um das Thema Web2.0 oder Social Media, um die es geht.
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie der Kunst- und Kulturbereich jemals Twitter nutzen soll, wenn alle nur darauf warten, dass etwas passiert? Das muss jede/r für sich selbst entscheiden, der Zeitfaktor, den Du erwähnst, spielt da sicher eine ganz entscheidende Rolle.
[…] in Kommunikation, Kulturmanagement by Christian Henner-Fehr am Juni 22nd, 2008 Auf dem Kulturmarketing Blog hat Karin Janner auf das erste Artcamp hingewiesen, das voraussichtlich im September in Hamburg […]
[…] Karin Janner Social Camp Berlin – Rückblick […]
@Christian:
Das freut mich natürlich sehr, dass ich Dir das Artcamp schmackhaft machen konnte und Du auch vor hast, zu kommen!
Ich wollte Dich sowieso fragen, ob Du daran Interesse hast!
„Das klingt sehr spannend und ich bin gespannt, ob das der Kunst- und Kulturbereich auch so hinbekommt.“
Wie interessant das wird, das steht und fällt natürlich mir den Leuten, die hinkommen.
Also, ich habe vor, sobald der Termin steht, fest die Werbetrommel zu rühren (auf meinem Blog; persönliche Ansprache…) und Du hast ja auf Deinem Blog sogar schon damit angefangen!
Auf dem Social Camp hatte man eigentlich die Vorstellung, dass das Verhältnis „Web 2.0er“ und Non-Profitler“ 50-50 sein sollte. Natürlich erfahren Leute, die sich mit Web 2.0 beschäftigen eher von solchen Veranstaltungen bzw. nehmen teil als Personen, die in Non-Profit-Einrichtungen arbeiten, das Verhältnis war darum wohl eher 80:20 (Web 2.0:Non-Profit). Damit das Verhältnis auf dem ArtsCamp ausgewogener ist, sollten wir gezielt Leute aus dem Kunst- und Kulturbereich ansprechen; die „Web 2.0er“ kommen sowieso…
[…] Social Camp Berlin – Rückblick […]
[…] Das Social Camp hat 2008 das erste Mal stattgefunden, mein Bericht dazu HIER. […]
[…] BarCamps, die ich selbst besucht und darüber gebloggt haben sind z.B. das Fundraising Camp 09, Social Camp 08, Social Camp 09 oder das Community Camp […]