Expertenbefragung zum Thema Online Marketing im Kulturbereich: Interview mit Dirk Heinze
Interview Nr. 8 meiner Expertenbefragung zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich:
Dirk Heinze
Er studierte Musik an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar und im Anschluss daran Kulturmanagement im Aufbaustudium.
Seit rund 10 Jahren ist er im Kultursektor tätig und hat an zahlreichen Projekten mitgewirkt.
1996 gründete er gemeinsam mit Dirk Schütz das „Kulturmanagement Network“, die erste deutsche Online-Plattform für Kulturmanager.
Zu den Fragen:
Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert.
“Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionierenâ€, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen.
Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?
Die meisten Kultureinrichtungen nutzen das Internet als Kommunikationsinstrument, um sich nach außen darzustellen (als Online-Visitenkarte), um mit Kunden und Geschäftspartnern zu kommunizieren. Die vergleichsweise geringen Kosten haben hier sicher zur Verbreitung beigetragen. Allerdings haben nur die wenigsten Mitarbeiter weitergehende Kenntnisse, um die Inhalte der Website auf einem aktuellen Stand zu halten und die Website als Kommunikationsplattform zu nutzen. Man delegiert insofern diese Aufgaben entweder an die wenigen Experten im Haus oder ist vollständig auf externe Dienstleister angewiesen. Insofern wird das Potenzial des Internets als Marketinginstrument im Kulturbetrieb bei weitem nicht ausgeschöpft.
Das Problem hat aus meiner Sicht 3 Ursachen: erstens gibt es nur wenige Einrichtungen, die personell die Kapazitäten vorhalten, um Kommunikation auch im Internet zu ermöglichen. Die Bündelung von Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing in einer Stelle führt mittel- oder langfristig zum Ende jeglicher strategischen Kommunikation. Zweitens gibt es nur wenige Aus- und Weiterbildungsangebote, die für Kulturbetriebe das Internet anwendungsorientiert mit seinen vielseitigen Möglichkeiten vermitteln. Drittens gibt es nach wie vor eine Distanz zahlreicher Kulturschaffender zum Medium Internet mit seiner direkten, hierarchiefernen Kommunikation, was dessen Nutzung für die berufliche Praxis erschwert.
2) Web 2.0 -„das Mitmach-Web“, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere „Web 2.0“-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Sehen Sie hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?
Viele Bestandteile des Web 2.0 sind nicht neu, sondern waren seit Beginn des Internets integrativer Bestandteil dieses Mediums. Foren, Kommentare oder Umfragen gehören seit mehr als 10 Jahren zum Bestandteil jedes Onlineportals und selbst vieler Firmen-Websites. Die unzähligen Möglichkeiten der Beteiligung des Kunden in Markteinscheidungen durch das Internet wurde beispielsweise im „Economist“ vor 8 Jahren aufgezeigt. Amazon nutzt seit 13 Jahre die Meinungen seiner Kunden bis hin zu deren Kaufverhalten und hat damit das Internet revolutioniert. Das Potenzial gerade für den Kulturbetrieb ist groß, jedoch steht man sich durch die hierarchischen Strukturen eher selbst im Weg. Möglicherweise ist die Angst vor der Offenheit gegenüber dem Kunden im Kulturbetrieb größer als bisher gedacht.
3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der „typische Kulturbetrieb“ Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?
Die Form, die am weitesten verbreitet ist, ist sicherlich die Email mit ihrer direkten und schnellen Möglichkeit, Kundenmeinungen an die Betreffenden durchzugeben. Umso betroffener bin ich immer wieder, wie unprofessionell hier mit dieser Kommunikationsform umgegangen wird. In erster Linie ist es die Hoffnung von Kultureinrichtungen, mit einer professionellen Onlinepräsenz eine zusätzliche, auch überregionale Außenwirkung zu erzeugen. Hier wurde in den letzten Jahren erfolgreich gearbeitet. Viele Kultureinrichtungen, private zuallererst, nutzen inzwischen das Internet als Marketing- und Vertriebsinstrument, also beispielsweise für die Buchung von Eintrittskarten. Hierbei hilft der Markteinfluss großer Dienstleister im Ticketing, deren Technik auch für die Marktforschung genutzt werden können.
4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?
Mit dem sich fortsetzenden Generationswechsel in den Kultureinrichtungen kommen auch immer mehr Fachkräfte in die PR- und Marketingabteilungen, die von Anfang an mit dem Internet aufgewachsen sind. Damit besteht die Chance, dass sich die Onlinekommunikation auf mehrere Personen verteilt und für ein strategisches Marketing genutzt werden kann. Ich gehe davon aus, dass bei der Pressearbeit, in der Evaluierung und im Personalmanagement (Recruiting) die sichtbarsten Weiterentwicklungen geschehen, weil hier die Vorteile des Mediums Internet am deutlichsten hervortreten, ohne dass deren Anwendung zu große zeitliche, personelle und finanzielle Investitionen erfordern. Hingegen rechne ich nicht mit einer signifikanten Verbreitung von Web 2.0-Technologien wie Foren, Videostreams oder Podcasts. Sowohl die anhaltende Technikskepsis unter Kulturschaffenden, die mangelnde berufliche Weiterbildung als auch die traditionell hierarchischen Strukturen der Einrichtungen stehen dem entgegen.
5) Was raten Sie Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?
Nach wie vor werden die Potenziale eines professionellen Kundenbeziehungsmanagements (CRM) unterschätzt. Ein Marketing, das auf qualifizierte Kundendaten zurückgreifen kann, wird immer erfolgreicher sein als einzelne Maßnahmen. Diese Daten, die man sowohl offline als auch online generiert und dann kontinuierlich pflegt, helfen bei der Einschätzung und Betreuung von Zielgruppen. So lassen sich Marketingmaßnahmen vermeiden, die ziellos nach außen gehen. Die aktuellen Debatten über Datenmissbrauch tragen allerdings dazu bei, CRM in eine verdächtige Ecke zu stellen. Bei der notwendigen Verbesserung im Service von Kultureinrichtungen könnte sich dies als spürbare Bremse auswirken. Hier muss es Datenschutzbeauftragte in jeder Kultureinrichtung sowie klare rechtliche Rahmenbedingungen geben.
6) Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, in der Sie interessante Aspekte ansprechen. Ich würde mich freuen, wenn hier im Blog eine Diskussion darüber entsteht.
Zur aktuellen Befragung
Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?
Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.
Das ersten Interviews gaben mir
- Christian Henner-Fehr (Das Kulturmanagement Blog)
- Jennifer Hoffmann (Blog: “Kulturmarketing und Weiterbildung im digitalen Zeitalterâ€)
- Jörn Borchert (Blog: Kulturelle Welten)
- Christian Holst (Blog: Kulturblogger)
- Simon A. Frank (Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg; Blog: kunstistauchkaktus)
- Roger Levy (kulturTV.ch)
- Jan Smacka (Webmaster kulturmarken.de)
Weitere werden folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…
Online Marketing von Kultureinrichtungen. Mir fällt da auf Anhieb immer http://www.buehnenverein.de/treffpunkttheatermarketing/ ein. Nur eine von vielen vergebenen Chancen. Mangelnde Kapazitäten und ungenügende Kenntnisse sollten heue eigentlich keine Ausrede mehr sein.
@ Frank: das ist ja herzig, was der Bühnenverein da anbietet. Bei den Teilnahmebedingungen werden mir nur Pflichten auferlegt, Rechte habe ich keine. Der Bühnenverein kann mit meinen Daten machen, was er will. Da kommt Freude auf. Und was mir nicht ganz klar ist: was ist das überhaupt für eine Seite und was habe ich davon, wenn ich mitmache? Wär ja nicht schlecht, wenn man das irgendwo erwähnt…
Zum Interview: interessieren würde mich, wie diese Weiterentwicklungen des Web2.0 in den Bereichen Evaluierung und Recruiting konkret aussehen?
@Frank und Christian:
Auf diesen Treffpunkt bin ich auch schon öfter gestoßen. Er ist nämlich der erste Google-Treffer „Theatermarketing“ (da fragt man sich…)
Die werden wohl ganz im Geheimen über die neuesten Tipps und Tricks im Theatermarketing diskutieren, so schön unter sich, damit ja kein Nicht-Eingeweihter seine unwürdige Meinung dazu abgibt 😉
Bestimmt wird dort unermüdlich diskutiert…
Rechte? Wozu Rechte, wenn`s auch Pflichten gibt 😉
Verantwortlichkeiten hat man ja schließlich auch noch, also nicht beklagen…
@Dirk Heinze:
Aus- und Weiterbildung: Ich gebe Ihnen recht, in der Aus- und Weiterbildung der Kulturmanagern wird das Thema Online Marketing nicht gerade erschöpfend behandelt.
KulturmanagerInnen sind es aber, die den Künstlern, Musikern… dieses Thema nahe bringen sollten. Ich sehe es als Fehler der Universitäten und Fachhochschulen, dieses Thema so stiefmütterlich zu behandeln und habe auch schon einige Studiengangsleiter um ein Interview im Rahmen dieser Expertenbefragung gebeten. Bisher habe ich aber kaum Antworten auf meine Anfragen bekommen…
Hat zwar nicht vordergründig etwas mit online Marketing zu tun, aber ja, ich glaube auch, dass die „Potenziale eines professionellen Kundenbeziehungsmanagements (CRM)“ in Kultureinrichtungen stark unterschätzt werden. Der Aufbau einer guten Kundendatenbank sollte die Grundlage sein, zur gezielten und persönlichen Ansprache. Und hier können dann wirklich gezielte und nicht zu breit gestreute Mailings genau die richtigen Gäste ansprechen.
Und, zu Mitmach-web: Lernt man im Kunst- oder Schauspielstudium nicht, wie man mit diesen Werkzeugen umgeht? Wenn nicht: sollte doch inzwischen Pflichtfach sein.
@Alexander von Halem:
Ich bin mir sicher, dass man im Kunst- oder Schauspielstudium nichts über Internet und Web 2.0 lernt.
Vielleicht schade, aber wirklich schlimm finde ich, dass dieses Thema in den Kulturmanagement-Studiengängen vernachlässigt wird.
Schauspieler, Künstler, Musiker… sollen Kunst schaffen, und Kulturmanager sind dafür da, Kunst und Kultur „zu ermöglichen“, in dem sie z.B. Gelder herbeischaffen und Marketing und Werbung betreiben – und dafür bietet das Internet interessante neue Möglichkeiten, die überhaupt noch nicht ausgeschöpft sind.
Es ist also meiner Meinung nach Aufgabe der Kulturmanagement-Studiengänge, dieses Wissen zu vermitteln, und kein Muss bei Schauspiel-, Musik- oder Kunst-Ausbildungen.
@Karin Janner
ja, aber wieviele Künstler sind als Alleingänger unterwegs? Gerade diese „hungernden“ Künstler vermarkten sich viel zu wenig, teils aus Prinzip, teils aus Unkenntnis, wie einfach es doch wäre, sich zu vernetzen und selbst im Netz zu „publizieren“. Die haben keine Kulturmanager und sollten vielleicht in den Hochschulen lernen, das Kunst nicht brotlos sein muss.
Natürlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren.
@ Alexander: Hier in Wien an der Angewandten gibt es schon die ersten Angebote in diese Richtung. Dauert also nicht mehr lange…
@Alexander von Halem:
Ja, das stimmt auch wieder.
Viele Künstler haben eine Aversion gegen Marketing und auch gegen das Internet, so werden sie nicht mit Begeisterung Online-Selfmarketing betreiben.
Andere haben vielleicht keine Aversion, aber wissen einfach nicht, wie sie damit anfangen sollen…
Die Marketing-Aversion hängt oft damit zusammen, dass Künstler eigentlich gar nicht wissen, was Marketing ist und damit nur das verbinden, was sie als Werbung aus dem Konsumgüterbereich kennen. Natürlich sind sie der Meinung, dass das nicht zu ihnen und ihrer Kunst passt.
Dass man aber auch Marketing auf andere Art und mit anderen Zielen betreiben kann, welche Möglichkeiten es gibt und auch welche neuen das Internet eröffnet – ja, das sollte eigentlich nicht nur im Kunststudium, sondern in jedem Studium, das „Freiberufler produziert“ angesprochen werden – denn nicht nur Künstler haben Probleme, sich und ihre Produkte bekannt zu machen, wenn sie dann im Berufsleben auf sich gestellt sind…
@ Christian:
Ich habe keinen Einblick, wie das in Kunststudiengängen so läuft, aber schön, dass es an der Angewandten da schon Angebote gibt…
@ Karin: ich würde noch einen Schritt weiter gehen: Ich denke, es ist nicht nur die Aversion der KünstlerInnen gegenüber dem Marketing, sondern das Unbehagen der Gesellschaft gegenüber all den Aspekten, die für das Unternehmertum wichtig sind. Da gehört das Marketing halt dazu…
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