Expertenbefragung zum Thema
Online-Marketing im Kulturbereich:
Interview mit Burkhard Rosskothen

Nr. 15 meiner Interview-Serie zum Thema Online-Marketing / Web 2.0 im Kulturbereich:

Burkhard Rosskothen

Burkhard Rosskothen FotoEr ist geschäftsführender Gesellschafter von einfallsreich marketingkommunikation gmbh & co kg, einer Agentur, die sich mit Kommunikationsdesign im Bereich Print, Online und Film beschäftigt. Auf einfallsreich.tv führt er Gespräche mit Künstlern, im einfallsreich.blog bloggt er über Kunst und Kultur, Kulturmarketing und Social Media.
Außerdem organisiert er als Lenkungsgruppenmitglied zusammen mit Banken und Kulturstiftungen  „Kunst privat! – Tage der Unternehmenskunstsammlungen in Hessen“ und ist im Vorstand des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden, für den er auch bloggt und den er in verschiedensten Social Networks (z.B. Twitter, Flickr, MySpace) vertritt. Für die Montag Stiftung Bildende Kunst in Bonn hat er die Videosparte aufgebaut.

Zu den Fragen:

Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert.
“Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionieren”, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen.
Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?

In verschiedenen Kulturbereichen spielt das Internet für das Kulturmarketing verschiedene Rollen. Im Bereich z. B. der Musik- und Popkultur ist eine Vermarktung ohne Internet undenkbar. Schaut man auf die Bildende Kunst und z. B. Museen und Kunsthallen, so kann man meiner Einschätzung nach nur von einer dem Internet zugedachten Wasserträgerfunktion gesprochen werden. Nach wie vor steht der Altar in der Kunsthalle und ihn gilt es aufzusuchen. Das Durchdringen einer Interessengruppe über das Gestalten von Kommunikationsstrukturen via Internet wird noch nicht als Teil einer Ausstellungsarbeit angesehen.

2) Web 2.0 -”das Mitmach-Web”, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere “Web 2.0″-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Siehst Du hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?

Wenn eine Kultureinrichtung begreift, dass das web 2.0 ihnen das „auratische-Kunsterlebnis-vor-Ort“ nicht wegnehmen will, sondern einfach ein größeres Potential an Wahrnehmung der Kultureinrichtung beschert, dann sind schon mal die größten Ängste überwunden und der Raum für neue Chancen öffnet sich. Das „Mitmach-Web“ ist ja nun nicht eine neue Zauberformel, die plötzlich die Massen in Kunsthallen strömen lässt. Es ist vielmehr Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, mit dem Wunsch nach Partizipation, Entscheidungsfreiheit und Authentizität. Dem gilt es seitens des Kulturbetriebes Rechnung zu tragen. Kunsthallen und Museen müssen sich überlegen, ob sie Schritt halten mit diesem Geschehen oder es sogar mitgestalten wollen. Dazu muß sich natürlich die bisherige Arbeit ändern. Alles in einem Museum richtet sich auf das Kunstwerk: die Beschaffenheit und Gestaltung der Ausstellungswand, Temperatur, Feuchtigkeit, Versicherungsfragen, nun kommt ein Besucher in die Halle und oft ist sein einziger partizipatorischer Beitrag den Eintritt zu zahlen. Und seien wir doch mal ehrlich: Wieviel Besucher haben die einzelnen Häuser so pro Jahr? Gemessen an den stattlichen, ich meine: staatlichen Zuwendungen ein wirkliches Luxusgut. Oft würde es ausreichen eine Vernissage abzuhalten, denn oft ist danach die Messe gelesen. Ich weiß nicht ob es Hilflosigkeit, Dummheit oder Borniertheit bei den Leitern ist. Aber schaut man sich mal die Papiereimer in den Toiletten der Kunsthallen und Museen an, dann wir man feststellen, dass kaum benutzte Papierhandtücher darin sind.

Kulturarbeit ist geprägt vom Wissen um die leibliche Teilnahme. Gezählt werden Besucher, die das Gebäude betreten. Jeder kennt aus der Praxis die vielen Interessierten, die es irgendwie nicht geschafft haben, persönlich zur Eröffnung zu kommen. Die Gründe sind immer persönlicher Natur und so individuell, wie ein Leben individuell sein kann. Die Gruppe derer, die mit dem Herzen dabei sind ist damit größer. Und die Gruppe derer, die um die Veranstaltung wissen und sie wahrnehmen ist auch größer, als die Zahl der Besucher. Erfasst werden dennoch nur die tatsächlich anwesenden Besucher. Gelder verteilen sich nach ihrem Schlüssel, die Qualität der Ausstellung wird oft in den Zusammenhang der Besuchermenge gebracht. Und nicht zuletzt wird die Argumentationsarchitektur zur Gewinnung von Sponsoren mit der Vielzahl der Besucher verflochten.

Gleichzeitig wird am Reputationsgebäude der Institution gearbeitet. Hier zählen allgemeine Bekanntheit und Wissen um die Arbeit der Institution. Dieser Wert stellt ein soft term in der Argumentation um Gelderaquirierung dar. Ist aber fester Bestandteil einer solchen. Mit den Möglichkeiten des Web 2.0 lassen sich nun solche soft terms sichtbar machen. Abrufe von rss-feeds, Zugriffszahlen, Kommentare, eingestellte Photos und Beiträge von interessierten Beobachtern der Institution geben diesen Aktivitäten eine messbare Größe. Somit werden die Gruppe der Besucher und der Beobachter und Wahrnehmer zu einer zahlenmäßig erfassbaren Mengeneinheit. Und nicht nur das: Sie werden zu aktiven Partizipatoren des Geschehens.

3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der “typische Kulturbetrieb” Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?

Man braucht nur die Twitteraccounts,…(ich erspare mir hier das Aufzählen) von Kultureinrichtungen zusammenzuzählen und erhält ein Bild über die Nutzung von Web 2.0 Maßnahmen deutscher Kultureinrichtungen. Die existierenden Maßnahmen lassen sich mit „Öffnungszeiten auf der Website“ ausreichend beschreiben.

4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?

Ich denke schon, dass Häuser, die auf große Außenwirkung angewiesen sind oder dort,, wo vermehrt private Hand drin ist, diese Maßnahmen nutzen werden. Klassische staatliche-17Uhr-Schließeinrichtungen werden dieser Entwicklung verlangsamt folgen. In rund 2 Jahren können die ersten begleitenden Web 2.0 Maßnahmen in den Budgets gut verankert sein. Ganz frühe Maßnahmen werden wir auch schon 2009 erleben. In 5 Jahren wird sich ein gewisser Standard entwickelt haben und alle werden unverständlich mit dem Kopf schütteln, wenn man sie an die anfängliche Zurückhaltung erinnern wird.

5) Was rätst Du Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?

Die Einsicht, dass Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher keine Twittertexte oder Blogeinträge formulieren sollen. Web 2.0 ist kein weiteres Veröffentlichungsorgan für einen Katalogtext. Eine Einrichtung braucht ein Interesse an struktureller Kommunikationsarbeit. Gleichwertig in der Ausstellungskonzeption mitgeplant. Auch ein Interesse für eine persönlichere, öffentlichere Ebene der Kommunikation. Und wenn sie damit dann auch noch jemand mit ins Boot holen, der etwas davon versteht, dann bin ich optimistisch. Damit ist dann die statistisch zu erfassende Größe von teilnehmenden Interessenten am Geschehen einer Kulturinstitution größer: Hinzukommt die Gruppe der Partizipatoren. Das ist die Größe von der zukünftig zu reden ist und von der Aspekte wie Reputation und Geldergewinnung abhängig zu machen sind. Damit verändert sich auch die Museumsarbeit: Eine Ausstellung, die nur die Besucher vor Ort im Blick hat, eignet sich nicht für eine größere Gesamtmenge. Die Konzeption einer Ausstellung muß von Anfang an die Gruppe der Partizipatoren im Blick haben. Für sie gilt es Bühnen zu bauen, partizipatorische Angebote zu machen. Damit wird die auratische Wirkung eines Kunstwerkes vor Ort nicht genommen. Der Unterschied zwischen leibhaftigem Besuch und medialer Partizipation bleibt bestehen. Dieser soll auch nicht verwischt werden. Aber warum sollen die Türen der Kommunikation verschlossen bleiben? Wahrnehmen heißt heute mehr als tasten und fühlen.

6) Vielen Dank für Deine ausführliche Stellungnahme und die neuen Aspekte, die Du einbringst! Ich bin gespannt auf die Diskussion…

Zur aktuellen Befragung

Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?

Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.

Das ersten Interviews gaben mir

Weitere werden folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…