NPO-Blogparade: Die Kehrseite des
Web 2.0-Hypes für den Non-Profit-Sektor

In „meiner“ Runde der NPO-Blogparade habe ich die Frage nach dem Social-Media-Mix für Non-Profit-Einrichtungen gestellt: Wie könnte er aussehen?

In den Antworten wurden vor allem die Chancen aufgezeigt, die sich Non-Profit-Einrichtungen durch das „Web 2.0“ bieten. (Hier ist die Auswertung)

Aber: Keine Chance ohne Risiko.
Daher finde ich es sehr gut, dass Ole Seidenberg nun mit der Frage anschließt:
Welche Kehrseiten des Web 2.0 Hypes gilt es zu beachten, insbesondere für den Nonprofit-Sektor?

“sehr häufig, so scheint es mir, werden bei neuen Techniken, Trends und dergleichen mehr zu schnell nur noch die positiven Seiten wahrgenommen – die “Downsides” werden darüber leicht vergessen (…). Qualitative Merkmale des Web 2.0 werden leicht durch die rosarote Brille betrachtet, was sicherlich auch mit den noch vergleichsweise (im Vergleich zu TV, EMail, Zeitung) geringen Erfahrungswerten mit dieser Medienlogik zusammenhängt.”

Heute ist der letzte Tag, an dem man sich an dieser Runde der NPO-Blogparade beteiligen kann und es sind schon zahlreiche sehr interessante Antworten bei Ole eingetroffen.
Es gibt natürlich viele verschiedene Aspekte – ich werde mich auf`s Marketing konzentrieren und 3 Punkte herausgreifen, die ich für besonders wichtig halte, wenn Kultureinrichtungen überlegen, mit Online Kulturmarketing und insbesondere Web 2.0-Maßnahmen zu starten:

Welche Risiken birgt das „Web 2.0“ für Kultureinrichtungen?

1. Von wem soll man sich beraten lassen, wem die Durchführung seiner Social Media Maßnahmen anvertrauen?

Social Media Maßnahmen wirken nur, wenn sie zur Einrichtung passen und in das Marketingkonzept eingegliedert sind. Voraussetzung für eine Kultureinrichtung, mit Social Media zu starten ist also, dass sie sich bereits Gedanken zu Selbstverständnis, Positionierung und Image gemacht und Ziele gesetzt hat. Was will sie denn generell erreichen, und wie können Social Media Maßnahmen dazu beitragen?

Der nächste Punkt ist die Durchführung der Maßnahmen:
Jedem ist klar, dass allein die Tatsache, dass man ein Plakat aufhängt oder einen Flyer verteilt, noch gar nichts bringt – die Aussage muss treffend sein, die Inhalte müssen passen, die Zielgruppe muss sich angesprochen fühlen und je nach Zielen der Maßnahme/Kampagne zu der gewünschten Aktion gebracht werden (z.B. Kauf einer Eintrittskarte oder Merken des Namens der Einrichtung, wenn der Bekanntheitsgrad der Einrichtung gesteigert werden soll…)
Natürlich bringt auch ein Blog nichts, wenn die Inhalte nicht passen.

Tatsache ist: Social Media Maßnahmen, die  „aus dem Bauch heraus“ durchgeführt werden – ohne Konzept und ohne Abstimmung  untereinander und mit „offline“-Maßnahmen kosten viel Zeit (und Geld, wenn man jemanden dafür bezahlen muss) und bringen wenig bis nichts.
Noch schlimmer: Wenn sie schlecht durchgeführt werden, können sie dem Image der Einrichtung schaden – und das „Gedächtnis“ des Internet ist gut, grobe Schnitzer sind noch lange im Netz zu finden.

Das Risiko: an allen Ecken wird über die Chancen des Web 2.0 berichtet. Agenturen und auch freie Berater zu diesem Thema gibt es mittlerweile zuhauf – aber keine Qualitätskontrolle. Jeder kann sich „Social-Media-Berater“ nennen oder eine „Agentur für Internetmarketing“ gründen. Leider gibt es immer wieder Agenturen, die unsinnige Ratschläge geben, Web 2.0 als „Wundermittel“ verkaufen und stümperhafte Maßnahmen durchführen.
Für Kultureinrichtungen, die mit Web 2.0 anfangen wollen und dazu Beratung suchen, ist das nicht so einfach – wem kann man vertrauen?

Dazu ein kleines Negativ-Beispiel:
Das stammt zwar nicht aus dem Kulturbereich, aber ich wurde durch einen Spam-Kommentar in meinem Blog darauf aufmerksam: Eine „Agentur“, die ein – auch noch ziemlich einfallsloses – Video mittels Spamkommentaren unter verschiedenen Namen in unterschiedlichen Blogs zu Renner machen will und meint, sie würde nun „virales Marketing über Social Media“ betreiben… (hier meine Antwort drauf)
Christian Henner-Fehr, Martin Oetting und Kathrin Siemokat berichten auch über diesen Fall, der nicht der einzige Fall von „Bullshit Marketing“ ist – Martin Oetting deckt auf seinem Blog „Connected Marketing“ immer wieder solche Fälle auf, wie z.B. dieser Fall hier mit getürkten Facebook-Gruppen.

Was tun zur Risikominimierung?
Wenn man mit Social Media-Marketing/ Web 2.0 starten möchte, wird man nicht umhin kommen, sich selbst mit dem Medium Internet auseinander zu setzen und die Mechanismen dort kennenzulernen – damit man beurteilen kann, ob die Ratschläge seiner Ratgeber seriös und zielführend sind…

2. Social Media Maßnahmen kosten viel Zeit

Wer bringt diese Zeit auf? Der Intendant/ Direktor/ Leiter der Kultureinrichtung selbst?
Mitarbeiter, die bezahlt werden? (Wer bezahlt die bzw. geht diese Zeit dann auf Kosten von anderen Aufgaben, die sie in der Einrichtung übernehmen sollten?)
Praktikanten oder Ehrenamtliche? (1.Stimmt dann die Kompetenz/ Qualität der Maßnahmen? 2.Wie viel unbezahlte Arbeit kann man in seiner Kultureinrichtung guten Gewissens vertreten?)

3. Social Media Maßnahmen erfordern die Bereitschaft zum offenen und öffentlichen Diskurs mit den Stakeholdern

Social Media Maßnahmen machen nur Sinn, wenn die Kultureinrichtung zum offenen Diskurs mit ihren Stakeholdern bereit ist – und dieser ist dann öffentlich. Da auch Kritik kommen kann oder sich Personen melden können, die mit der Meinung und Einstellungen der Einrichtung gar nicht übereinstimmen, sollte man sich schon vorher überlegen, wie man in solchen Fällen reagieren wird, um böse Überraschungen zu vermeiden.

Fazit

Insgesamt schätze ich aber die Chance für eine Kultureinrichtung, sich über Web 2.0 bekannt zu machen und die Beziehung zu seinen Stakeholdern zu stärken höher ein als das Risiko, damit zu scheitern.
Natürlich muss die Einrichtung gewisse Vorüberlegungen anstellen und auch bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Also: Nicht einfach drauflos “machen”, denn falsch verstandene oder schlecht gemachte „Social-Media-Maßnahmen“ können das Image gefährden. Bedenken sollte man auch den Zeitfaktor und die Frage, wie man mit Kritik und entgegengesetzten Meinungen umgehen kann.

Und nun bin ich schon sehr gespannt auf die Auswertung bei Ole – die verschiedenen Antworten habe ich gelesen; es wurden sehr interessante Aspekte angesprochen und Fragen diskutiert…

Zur NPO-Blogparade

“Ein Blogautor stellt eine Frage und fordert die Leser dazu auf, einen eigenen Blogbeitrag über das vorgegebene Thema zu schreiben und diesen Beitrag per trackback mit dem Blogbeitrag des Initiators (Host) zu verlinken.”

Die NPO-Blogparade ist eine wiederkehrende Blogparade:
1 x pro Monat stellt einer der Hostblogs eine Frage zum Nonprofit-Bereich. Mitmachen kann jeder Blogger, dem etwas dazu einfällt. Einfach einen Beitrag ins eigene Blog schreiben, mit dem Hostblog, der die Frage ins Rennen geworfen hat verlinken – fertig.

Hostblogs sind zur Zeit:

Wer Interesse daran hat, Hostblog zu werden – bitte gerne melden!

Die erste Frage dieser Reihe wurde am 15. Oktober 2008 von Brigitte Reiser (Nonprofits-vernetzt) gestellt:
Folgen der Finanzkrise für Nonprofits – Bedrohung oder Chance? Hier ist die Auswertung.

Die zweite Frage kam von mir am 15. Dezember hier im Kulturmarketing Blog:
Social Media Mix für Non-Profit-Einrichtungen – wie könnte er aussehen?

Die Frage der laufenden Runde hat Ole Seidenberg (socialblogger.de) am 15. Dezember gestellt:
Welche Kehrseiten des Web 2.0 Hypes gilt es zu beachten, insbesondere für den Nonprofit-Sektor?
Wer noch etwas dazu schreiben will – heute (12.1.) ist es noch möglich!!

Eine genauere Einführung zur NPO-Blogparade und einen Überblick über Themen und Termine gibt es im Blog NPO-Blogparade.