Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing?
Ich habe überlegt, wie ich es starten soll, mein Kulturmarketing Blog.
Nach meinen ersten beiden Beiträgen – „Warum Kulturmarketing“ und „Warum ein Kulturmarketing Blog“ – die sehr theoretisch waren, hätte ich Lust, nun zu praktischen Beispielen überzugehen.
Ich habe mich aber entschlossen, davor noch ein paar Begriffe zu klären und Grundlagen abzuhandeln, denn:
- Im Kulturbereich gibt es trotz der einleuchtenden Notwendigkeit, sich mit dem Thema Marketing auseinander zu setzen, immer noch Vorbehalte. Der Grund ist oft ein eindimensionales Marketingverständnis, wie „Marketing heißt, Produkte mit möglichst viel Profit zu verkaufen.“ Natürlich passt das in dieser Form nicht zu Kunst und Kultur. Diese Sichtweise von Marketing ist aber schon lange überholt – der Marketingbegriff wird heute sehr viel weiter gefasst. Versteht man die Philosophie dahinter, wird man feststellen, dass Marketing, wie man es heute sieht, sehr wohl zu Kunst und Kultur passt.
- Marketing in Kultureinrichtungen wird – wenn überhaupt – oft planlos, unkoordiniert und ohne Konzept betrieben. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass in der Einrichtung meist niemand vorhanden ist, der weiß, wie ein Marketingkonzept aussieht und wie man vorgeht, wenn man eines erstellen möchte.
Ich werde mich also in meinen nächsten Beiträgen erstmal der Philosophie von Marketing und der Notwendigkeit von Marketingkonzepten widmen und erläutern, wie man eines erstellt…
und dann wird`s praktisch, ich verspreche es!
Also, Punkt 1:
Was ist Marketing?
Nicht nur im Kulturbereich bekommt man auf diese Frage oft die Antwort:
„Na, Werbung! Ich habe ein Produkt, und jetzt will ich es an den Mann bringen, bekanntmachen, verkaufen, Geld verdienen damit!“
Das hat vielleicht in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch so ungefähr gestimmt, mittlerweile wird „Marketing“ aber weiter gefasst.
Zum Verständnis die Phasen der Marketingentwicklung der vergangenen Jahrzehnte – in Stichworten
(frei nach Manfred Bruhn: Marketing, Gabler Verlag, Wiesbaden 2004, S. 15-18):
- Phase der Produktionsorientierung (50 er Jahre): Nachkriegsmarketing: Nachfrageüberhang – Verkäufermarkt
- Phase der Verkaufsorientierung (60 er Jahre): Verkäufermarkt wurde langsam zum Käufermarkt, verstärkte Werbemaßnahmen
- Phase der Marktorientierung (70 er Jahre). Käufermarkt. Beginn der Marktsegmentierung
- Phase der Wettbewerbsorientierung (80 er Jahre): Beginn der Herausarbeitung strategischer Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten
- Phase der Umfeldorientierung (90 er Jahre): Umfeldanalyse wird wichtig für Marketingüberlegungen: Trends, politische und gesellschaftliche Entwicklungen, technische Neuerungen…
- Phase der Netzwerkorientierung: Trend zu individueller Kundenansprache, internes Marketing (Mitarbeiter), Beschaffungsmarketing, interaktives Marketing, Aufbau von Netzwerken wird immer wichtiger.
Heute wird Marketing als Leitkonzept des Managements verstanden, das dazu dient, die übergeordneten Unternehmensziele zu erreichen. Es ist gekennzeichnet durch
- Systematische und zielgerichtete Planungs- und Entscheidungsprozesse,
- die Abstimmung aller Marketingaktivitäten untereinander,
- Herausarbeiten von strategischen Wettbewerbsvorteilen,
- Markt- und kundenorientierte Unternehmensführung und
- Die Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten am Kundennutzen.
Marketing beginnt nicht erst, wenn Produkt oder Leistungsangebote entwickelt sind, sondern greift bereits in die Planung ein:
Wer bin ich (als Einrichtung) genau, was macht macht mich und mein Angebot besonders? Oder: Was ist/kann/hat mein Produkt genau? Was unterscheidet mich von meinen Wettbewerbern? Was sind meine Ziele? Wer ist die Zielgruppe, die ich mit meinem Angebot ansprechen will? Brauchen/ wollen diese Leute mein Produkt überhaupt? Oder haben sie vielleicht andere Interessen/ Schwerpunkte, für die ich ein Angebot machen kann….
Wie und wo erreiche ich meine Zielgruppe? Mit welchen Argumenten kann ich sie von meinem Produkt überzeugen….
Manfred Bruhn definiert Marketing so:
„Marketing ist eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Unternehmensziele zu erreichen.“
(Quelle: Manfred Bruhn: Marketing, 7. Auflage, Gabler Verlag, Wiesbaden 2004, S. 14) –
wobei ich persönlich das Wort „absatzmarktorientiert“ weglassen würde – es gibt auch Unternehmensziele, die nicht absatzmarktorientiert sind und trotzdem über Marketing erreicht werden; z.B. Beschaffungsziele, soziale Ziele.
Was ist Kulturmarketing?
Das generelle Grundverständnis des Marketing kann auf Kulturangebote übertragen werden, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass hier kultur- und sozialpolitische Ziele im Vordergrund stehen.
Systematische Planung, Abstimmung der einzelnen Aktionen, Herausarbeiten eines Profils unter Berücksichtigung der Wettbewerbsvorteile – dass das auch im Kulturbereich Sinn macht, wird meistens eingesehen.
Da die meisten nicht kommerziell ausgerichteten Kulturangebote dem „Non-Profit“-Bereich zugehörig sind, können wir uns dazu Manfred Bruhns Definition von „Non-Profit-Marketing“ ansehen. Vor allem im 2. Teil der Definition von Marketing hat er Anpassungen vorgenommen:
- Die „konsequente Kundenorientierung“ wurde zur Ausrichtung am Nutzen und den Erwartungen der Anspruchsgruppen – denn im Kulturbereich hat man es üblicherweise mit mehreren „Kundengruppen“ zu tun: Besucher, Kostenträger, Mitglieder, Spender, Sponsoringpartner, Öffentlichkeit… Man nennt sie „Anspruchsgruppen“.
- Aus „absatzorientierten Unternehmenszielen“ wurden „finanzielle, mitarbeiterbezogene und insbesondere aufgabenbezogenen Ziele“
Hier Bruhns Definition von Non-Profit-Marketing.:
„Non-Profit-Marketing (und auch das Marketing für öffentliche Einrichtungen) ist eine spezifische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Aktivitäten, die durch eine Ausrichtung am Nutzen und den Erwartungen der Anspruchsgruppen (Leistungsempfänger, Kostenträger, Mitglieder, Spender, Sponsoringpartner, Öffentlichkeit…) darauf abzielen, die finanziellen, mitarbeiterbezogenen und insbesondere aufgabenbezogenen Ziele der Non-Profit.Organisation zu erreichen.“
(Quelle: Manfred Bruhn: Marketing für Nonprofit-Organisationen, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2005, S. 63)
Armin Klein fasst sich erstmal allgemeiner:
„Marketing ist der Austausch von Dingen oder Leistungen von Wert und die Beeinflussung dieses Prozesses„(Armin Klein: Kulturmarketing, DTV, München 2001) – das passt sowohl auf den Konsumgüter- als auch auf den Kulturbereich.
Für öffentliche Kultureinrichtungen erweitert er diese Definition in Anlehnung an Francois Colbert (Francois Colbert, Marketing Culture and the Arts, Montreal 1994, S.22):
„Kultur-Marketing in öffentlichen Kulturbetrieben ist die Kunst, jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert werden können, indem die entsprechenden Austauscheigenschaften (z.B. Preis, Werbung, Vertrieb, Service usw.) dem künstlerischen Produkt bzw. der kulturellen Leistung möglichst optimal angepasst werden, um dieses mit einer entsprechenden Zahl von Nachfragern erfolgreich in Kontakt zu bringen und um die mit der allgemeinen Zielsetzung des Kulturbetriebs in Einklang stehenden Ziele zu erreichen.“
Dass man über die einzelnen Punkte diskutieren kann, ist klar: Will ich es den Besuchern recht machen, muss ich mich dem Geschmack der Sponsoren anpassen, wo behindert systematische Planung die künstlerische Kreativität, wo greife ich mit meiner Orientierung an den Austauschgruppen zu sehr in das künstlerische Produkt ein?
Aber: Es macht einen großen Unterschied, ob man über diese Themen konstruktiv diskutiert oder ob man sagt, Kulturmarketing ist generell pfui, obwohl man gar nicht so richtig weiß, was das ist…
Also: Ich freue mich auf Diskussionen hier im Blog!
Literaturempfehlungen zu Marketing und Kulturmarketing:
Marketing:
Manfred Bruhn: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis, Gabler Verlag. Das Wichtigste in Kürze. Gibt einen guten Einblick in das Thema (ca. 300 Seiten)
Kotler/Armstrong/ Saunders/ Wong: Grundlagen des Marketing, Pearson Studium. Wenn man es ein bisschen genauer wissen will (1.200 Seiten)
Kulturmarketing:
Armin Klein: Kultur-Marketing: Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, DTV. Ein Muss für alle, die sich für Kulturmarketing interessieren. Theoretische Grundlagen, praktische Beispiele.
Michaela Reimann, Susanne Rockweiler: Handbuch Kulturmarketing. Der theoretische Teil ist etwas chaotisch und mit vielen Wiederholungen durchsetzt, dafür gibt es ausführliche und gut recherchierte praktische Beispiele.
Manfred Bruhn: Marketing für Non-Profit-Organisationen., Kohlhammer Edition Marketing. Lehrbuch, knochentrocken, dafür gut strukturiert; umfassend, informativ.
Francois Colbert: Kultur- und Kunstmarketing. Für alle, die es gerne ein bisschen wissenschaftlicher hätten…
Ein wunderbares theoretisches Werk. Wer aktuelle, ausführliche praktische Beispiele sucht, wird sie aber hier nicht finden.
Blogeinträge zu diesem Thema:
Kulturmarketing – muss das sein? Von Christian Henner-Fehr, Das Kulturmanagement Blog, 6.6.2007
Vorurteil Kulturmarketing, von Hendrik Müller, Act and Artist.de, 5.6.2007
Super Beitrag, danke dafür! Ich frage Dich jetzt auch nicht, wie lange Du an Deinen Blogeinträgen sitzt. 😉
Eine Frage habe ich dazu: für mich spielen Branding und Reputation in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Wie siehst Du das? Ist das für Dich ein Bestandteil von Kulturmarketing oder ein eigenständiger Bereich?
[…] Kulturmarketing Blog auf einen äußerst informativen Beitrag gestoßen. In ihrem Beitrag “Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing?” gelingt es Karin Janner, in aller Kürze die Entwicklungen in diesem Bereich zu beschreiben. […]
Gerade entdeckt und ich muß sagen: schöner Blog, schönes Thema.
[…] andere Themen haben vieles gemeinsam. Es gibt aber auch Unterschiede – in meinem Beitrag “Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing” befasse ich mich […]
@Christian:
Branding und Reputation sehe ich auf jeden Fall als Bestandteil von Kulturmarketing, als sehr wichtigen sogar.
Das wird in den Definitionen der zitierten Herren nicht explizit angesprochen, aber widerspricht ihnen auch nicht, finde ich.
Mit Hilfe von Branding und dem Arbeiten an der Reputation möchte ich ja letztlich „die finanziellen, mitarbeiterbezogenen und insbesondere aufgabenbezogenen Ziele“ der Kultureinrichtung erreichen (Bruhn), es hilft mir auch dabei, „jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert werden können“(Klein).
Die Definitionen sind halt sehr allgemein gehalten, auf einzelne Punkte wird nicht eingegangen. Ich wollte damit v.a. zeigen, dass Marketing mehr als nur Werbung ist, und dass es nicht zwingend um den finanziellen Gewinn gehen muss.
@Burkhard:
Danke, freut mich!
Grüße, Karin
Danke für deine Antwort! Ich sehe das ähnlich und denke, dass Branding und Reputation immer wichtiger werden, sind das doch „Kategorien“, in denen eine Differenzierung noch möglich ist. Die Zahl der Ausstellungen oder Bilder, der Wettbewerb der Namen, das funktioniert nicht mehr wirklich. So wird das Vertrauen, dass die Menschen in einen setzen zum großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
[…] Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing? […]
[…] Mit meinem Kulturmarketing Blog möchte ich dazu beitragen, im Kulturbereich die Vorbehalte gegen Marketing abzubauen. Schon meine Kunden, die nicht aus dem Kulturbereich kommen, empfinden Marketing oft als notwendiges Ãœbel, um ihre Produkte an den Mann zu bringen. Im Kulturbereich ist aber (zum Teil) eine starke Abwehrhaltung gegenüber Marketing zu spüren. Die Angst, dass Kultur – vor allem die Kunst – durch Marketing an den Geschmack der Masse angepasst wird und somit ihren zum Nachdenken anregenden Charakter einbüßt, ist unter Kulturschaffenden weit verbreitet. Als Hauptgrund dafür sehe ich ein eindimensionales Marketingverständnis – Marketing wird meist einfach mit Werbung gleichgesetzt. Versteht man die Marketingphilosophie, wird man aber feststellen, dass diese sehr wohl auch zu Kunst und Kultur passt. Wenn ich Kultureinrichtungen zeigen möchte, wie sie sich positionieren und bekannt machen können, muss ich das im Rahmen eines Nischenblogs für Kulturangebote tun. Denn kaum ein Theater, Museum würde auf die Idee kommen, ein allgemeines Marketingblog zu lesen. Vieles aus dem Konsumgüterbereich passt auch gar nicht zum Kulturbereich. (Zu diesen Themen auch meine Beiträge: Warum Kulturmarketing? Warum ein Kulturmarketing Blog? und Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing? […]
[…] im Kulturbereich bedeutet habe ich in meinem Beiträgen “Warum Kulturmarketing” und und “Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing?” in diesem Beitrag kurz […]
[…] Was ist Marketing, was ist Kulturmarketing? […]
[…] which is fairly current. Arts management on the internet. His article is linked to another blog by Karin Janner, recently publishing on the web herself. Since both sites are in German, I would like to add a […]
[…] ist eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und […]
Hallo,
Ich dokumentiere mich über das Thema Marketing Mix im Kunstbereich. Ich habe im Fach Marketing (ich studiere Informationswissenschaft in Chur und Zürich )eine Arbeit zu schreiben. Wir organisieren (virtuell) eine (non-Profit)Ausstellung und müssen den Marketing-Mix dazu entwickeln. Es dünkt mich aber das der Klassiche Marketing Mix nicht ganz identisch ist mit dem im Kunstbereich und bin auf der Fall ist der Preis von den 4P’s nicht eindeutig weil keine Eintrittsgebühren verlangt werden. Wenn Sie ein Input dazu hätten, wäre das hilfreich.
Viele Grüsse
Danièle Meyer
10 Rue des Alouettes
F-68300 Saint-Louis
Tel: 00 333 89 67 14 37
[…] der Definition von Marketing geht hervor: Es geht darum, Ziele zu […]
Kulturmarketing und Kulturvermittlung gewinnen laufend an Bedeutung. Einerseits steht einem sehr grossen und vielfaltigen Kulturangebot meist nur eine begrenzte Anzahl von Interessentinnen und Interessenten gegenuber. Andererseits erfordert die Teilnahme an vielen Kulturangeboten ein entsprechendes Vorwissen, das es zu vermitteln gilt. Um ein begeistertes Publikum zu gewinnen und auf Dauer zu halten, mussen Kommunikation und Marketing als fester Bestandteil in die Arbeit von Organisationen und Projekten eingeplant werden.