Expertenbefragung zum Thema Online Marketing im Kulturbereich: Interview mit Simon A. Frank

Das fünfte Interview zum Thema Online Kulturmarketing:

Simon A. Frank

foto simon frankEr studierte Literatur und Philosophie an der LMU in München, arbeitete im Anschluss am IT-Zentrum Geisteswissenschaften und absolvierte parallel dazu ein Fachhochschulstudium in Informatik. Seit 2004 ist er als Webentwickler und Berater für Kultur- und Bildungseinrichtungen tätig, seit 2006 zudem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturmanagement in Ludwigsburg, wo er unter anderem die Lehrveranstaltungen „Kulturmarketing im Internet“ und „Website-Optimierung für Kultureinrichtungen“ abhält. Mehr auf der Seite des Instituts und in seinem privaten Blog kunstistauchkaktus.

Zu den Fragen

Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert. “Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionieren”, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen. Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?

Leider nein. Im Kulturbereich ist die Meinung weit verbreitet, dass das Berteiben einer Website oder die Tatsache, dass jeder Mitarbeiter eine E-Mailadresse hat, bereits „Online-Kulturmarketing“ sei. Und ich bin immer wieder überrascht, dass selbst Marketingmitarbeiter großer Kulturbetriebe weder von „Klassikern“ wie Suchmaschinen- oder Performance-Marketing gehört haben, geschweige den von aktuellen Trends wie Social-Media- und Mobile-Marketing.

Sicherlich liegt dies vor allem daran, dass viele Kulturschaffende gegenüber Marketing (und speziell Online-Marketing) immer noch ein großes Misstrauen hegen. Dass es bei Kulturmarketing auf keinem Fall darum gehen darf, Kunst zu „kommerzialisieren“, dem Markt anzupassen und möglichst viele Tickets zu verkaufen, ist leider noch nicht überallangekommen.

2) Web 2.0 -„das Mitmach-Web“, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere „Web 2.0“-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Siehst Du hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?

Ich sehe darin gerade für den Kulturbereich enorme Potenziale, sowohl für das Kulturmarketing als auch für die Kulturvermittlung. Das hat einen ganz einfachen Grund: In Kunst und Kultur steckt eigentlich genauso der Mitmach-Gedanke wie im „Web 2.0“. Nicht erst seit Beuys „Jeder Mensch ein Künstler“ schreit Kunst und Kultur nach „lass mich mitmachen, lass mich mitreden und mitdenken“. Auf den Websites der Kultureinrichtungen könnte man dies nun einfach ermöglichen, indem man Plattformen schafft, die eine neue Form des Kommunizierens, Austauschens und Partizipierens über Kunst- und Kultur ermöglichen.

3) Zum Status Quo des Online-Marketings in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der „typische Kulturbetrieb“ Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?

Eine nett gestaltete Website und einen Newsletter sehe ich als den aktuellen Standard. Bis auf einige löbliche Ausnahmen haben die meisten Kultureinrichtungen nicht nur die aktuellen Entwicklungen der letzten drei Jahre, also des „Web 2.0“, verpasst, sondern sind sogar etliche Jahre hinterher.

Gerade vor kurzem konnte ich mit einem Museumsleiter eines großen, überregional bekannten Museums über deren gerade durchgeführten Relaunch reden. Sozusagen keiner der Punkte, die Du in Deiner aktuellen Serie „Internetauftritte von Kultureinrichtungen“ beschreibst, sind beachtet worden. Nicht nur, dass keinerlei auch noch so einfachen aktuellen („Web 2.0“-) Techniken eingesetzt wurden (z. B. RSS für die News), fast alle Regeln der Suchmaschinenoptimierung sind missachtet worden, die Fotos sind Briefmarkengroß, Multimedia fehlt ganz und der Content passt auf eine DIN A4 Seite – um nur ein paar „Highlights“ zu nennen.

Richtig erschrocken war ich dann, als ich hörte, dass man sich für den Betrag, den man der Agentur gezahlt hatte, „auch einen Kleinwagen hätte kaufen können“. Die Agentur trifft wahrscheinlich nur eine kleine Schuld, das Hauptproblem liegt darin, dass die Verantwortlichen des Museums einfach nicht wissen, auf was es bei einer Webpräsenz derzeit ankommt.

4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?

Wie Kultureinrichtungen dies zukünftig nutzen werden ist schwer zu sagen. Wie die Zukunft im Online-Marketing aussieht, ist leichter: In drei Jahren wird das mobile Internet die zentrale Rolle spielen. Jedes handelsübliche Handy wird dann über ein großes Display mit einer leicht zu bedienenden Internetsoftware sowie einem GPS verfügen. Nach dem Einkaufsbummel wird dann der typische Verbraucher im Cafe sitzend sein Handy konsultieren um zu eruieren, was er oder sie als nächstes unternehmen könnte. Via Internet und GPS werden dann lokal und persönlich abgestimmte Vorschläge gemacht. Wenn Kulturbetriebe hier nicht rechtzeitig einsteigen und dafür sorgen, dass ihre Angebote auch für mobile Geräte abrufbar sind, wird es noch schwieriger, sich gegen die vielfältigen Freizeit-, Sport- und Shoppingangebote durchzusetzen, die bereits jetzt für mobile Geräte verfügbar sind.

Ein zweiter wichtiger Wandel wird sich im Bereich Suchmaschinen ergeben, Stichwort Semantic Web. Auch hier stecken für Kulturbetriebe große Potentiale, denn diese verfügen über den interessanten Content, der (richtig aufbereitet) das Web kulturell bereichern könnte.

5) Was rätst Du Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?

Mehr Experimentierfreude! Ganz nach dem chinesischen Sprichwort: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen“ – also: Mauern einreißen und Windmühlen bauen!

6) Vielen Dank für die Anregungen! Und mit dem Sprichwort hast Du Kultureinrichtungen ein schönes Bild dazu mitgegeben!

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Zur aktuellen Befragung

Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?

Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.

Das ersten Interviews gaben mir

Weitere werden in den nächsten Tagen folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…