Expertenbefragung zum Thema Online Marketing im Kulturbereich: Interview mit Thilo Martini
Interview Nr. 9 meiner Expertenbefragung zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich:
Thilo Martini
Er hat Volkskunde, Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften/ Publizistik
studiert. Seit 1994 ist er in verschiedenen Museen als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Er ist Mitbegründer des Arbeitskreises Museumsmanagement und wissenschaftlicher Referent am Rheinischen Archiv- und Museumsamt mit den Beratungsschwerpunkten Museumsmanagement, Dokumentation, Neue Medien und Fortbildung. Als Veranstalter der jährlichen Fachtagung „museums and the internet“ trägt er viel dazu bei, dass das Internet Einzug in Museen hält.
Zu den Fragen:
Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert.
“Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionierenâ€, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen.
Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?
Zunächst möchte ich meine Aussagen einschränken auf das Segment der Museen. Über Theater, Bibliotheken etc. würde ich mir keine qualifizierten Aussagen anmaßen wollen.
Und selbst die Museumslandschaft ist durch die Bandbreite der Museumstypen (Kunst, Geschichte, Technologie etc.) sowie die Reichweiten und Ausrichtungen („Global Player“, Landesmuseum bis hin zur „Heimatstube“) sehr zersplittert und entzieht sich somit fast einer geschlossenen Bewertung.
Dennoch – um es nun dann doch kurz zu machen – wäre meine Einschätzung: das Internet hat sich im Museumsmarketing (noch) nicht durchgesetzt! Es wird von Museen überwiegend und lediglich als Informations- und Kommunikationsmedium genutzt.
2) Web 2.0 -„das Mitmach-Web“, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere „Web 2.0“-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Sehen Sie hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?
Hier sind ohne weiteres Potentiale für Museen enthalten. Einige Web 2.0-Beispiele waren auch Beiträge der MAI-Tagung 2007 (museums and the internet) im ZKM in Karlsruhe. Prof. Weibel sprach in diesem Zusammenhang von dem Weg „vom Betrachter zum Benutzer“ und beschrieb damit den „Prosumenten“, diese Zwitterform zwischen dem Konsumenten und Produzenten.
Feststellen lässt sich allerdings, dass diese Potenziale des Internets/Web 2.0 von Museen in keinem nennenswerten Maße genutzt und eingesetzt werden. Selbst so „einfache“ Umsetzungen wie Ausstellungskritiken oder Bookmarking im Sinne eines personalisierten Empfehlungsmarketings sind nur in geringem Ausmaß zu finden. Und sogar die Erstellung von Einträgen bei Internetdiensten wie YouTube, Wikipedia etc. ist – von Museumsseite – ein eher selten begangener Weg, werden dazu doch einschlägige Kenntnisse sowie redaktionelle Zeit für die konstante Pflege benötigt.
Die Museen im Internet sind somit weitestgehend als reine Präsenzen mit überwiegender Einweg-Kommunikation als Sender vertreten. Eine bewusst gesetzte Partizipation der museumsaffinen „Online-Community“ sucht man oftmals noch vergebens. Die Chancen für Online-Marketing werden im Regelfall nicht erkannt und nicht genutzt. Lediglich in den USA, Kanada und GB finden sich einige Ausnahmen von dieser Regel.
3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der „typische Kulturbetrieb“ Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?
Wenn man in den Marketing-Mix noch die Bereiche Werbung und PR fassen möchte, so bieten doch schon viele Museen mittlerweile konfektionierte Informationen für unterschiedliche Zielgruppen an (mit dem Zwecke der Besuchsmotivation und somit auch der Einnahmenerhöhung). Diese speziellen Informationseinheiten richten sich vorwiegend an Pressevertreter/innen und Lehrer/innen, in geringerem Ausmaße auch an Reiseveranstalter oder Privatpersonen (Geburtstagsfeiern etc.). Angeboten werden diese Informationen allerdings noch auf „traditionellem“ Wege per e-Mail-Verteiler und Datei-Download. Dezidierte Marketingstrategien sucht man auch hier aber weitestgehend vergeblich.
4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ (zugeschrieben Karl Valentin, Mark Twain, Winston Churchill u.a.).
Ein möglicher Antwortversuch wäre: es ist keine Frage der technischen (Neu-) Entwicklungen, es ist ein Generationsproblem. Eine experimentelle oder konsequente Umsetzung und Nutzung jeweils verfügbarer Internettechnologien wird auch im Museumsbereich vermutlich erst dann eintreten, wenn auf verantwortlicher Fach- oder Leitungsebene Personen zu finden sind, die auch im privaten und alltäglichen Bereich selbstverständlich mit diesen Internettechnologien umgehen. Wobei es keine Rolle spielt, ob diese Technologien dann zu Informations-, Kommunikations-, Präsentations- oder Marketing-Zwecken eingesetzt werden.
5) Was raten Sie Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?
- Berücksichtigung der bestehenden Offline-Marketingstrategie bei der Konzeption der OnlineMarketing-/Strategieplanung.
- Kritische Prüfung der zur Verfügung stehenden Ressourcen (Finanzen, Personal, Technik etc.) und kritischer Abgleich mit dem erwünschten Ziel / Zweck der geplanten Marketingmaßnahme (Aufwand zu Nutzen).
- Professionelle Umsetzung, Einhalten von Standards und begleitendes Controlling (Web-Layout, Barrierefreiheit, Budget, Response etc.).
- –>Planung und Durchführung der Marketingstrategie als „Chefsache“.
6) Vielen Dank! Mit der Maitagung bringen Sie ja Museen auf anschauliche Weise das Internet und die neuen Möglichkeiten nahe – vielleicht ist ja Online Kulturmarketing/ Web 2.0 auch einmal ein Thema?
Zur aktuellen Befragung
Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?
Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.
Das ersten Interviews gaben mir
- Christian Henner-Fehr (Das Kulturmanagement Blog)
- Jennifer Hoffmann (Blog: “Kulturmarketing und Weiterbildung im digitalen Zeitalterâ€)
- Jörn Borchert (Blog: Kulturelle Welten)
- Christian Holst (Blog: Kulturblogger)
- Simon A. Frank (Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg; Blog: kunstistauchkaktus)
- Roger Levy (kulturTV.ch)
- Jan Smacka (Webmaster kulturmarken.de)
- Dirk Heinze (Kulturmanagement Network)
Weitere werden folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…
Ich frage mich immer, warum die staatlich geförderten Kultureinrichtungen ihre ungeheure Stärke im Live-Markt nicht dazu nutzen, starke, gemeinsame Internetangebote zu entwickeln?
Es ist ja nicht so, dass Online nur Geld ausgegeben wird. Die privaten Anbieter zeigen doch, dass hier ganz ordentliches Geld zu verdienen ist.
Gibt es keine Möglichkeit, zumindest im Absatz zu einheitlichen Software-Standards der öffentlichen Häuser zu gelangen?
Damit wäre den staatlich geförderten Anbietern geholfen und die schädlichen Verzerrungen im privaten Bereich würden zum Wohle der gesamten Branche abnehmen.
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