Expertenbefragung zum Thema
Online-Marketing im Kulturbereich:
Interview mit Prof. Dr. Armin Klein
Das Interview Nr. 12 meiner Expertenbefragung zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich gab mir der „Zitatgeber“ meines Einleitungstextes, den ich für diese Interviewreihe verwende, persönlich:
Prof. Dr. Armin Klein
Seine Kurzvita: Studium der Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie an der Universität Mainz; Promotion zum Dr. phil.; Leitender Dramaturg am Theater am Turm in Frankfurt am Main (1979-81), anschließend Kulturreferent der Universitätsstadt Marburg/Lahn (1981-94); seit 1994 Professor für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Leiter des Master-Aufbaustudiengangs und des Kontaktstudiums Kulturmanagement, Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Gastdozent Nachdiplom-Studiengang Kulturmanagement der Universitäten Basel und Freiburg. Zahlreiche Vorträge und Workshops, Vorstandsmitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft (Quelle: Institut für Kulturmanagement, Ludwigsburg)
Zu den Fragen:
Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert.
“Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionierenâ€, schreiben Sie selbst in Ihrem Buch „Kulturmarketing – Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe„.
1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen. Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?
Wenn ich jetzt böse wäre, würde ich sagen: Viele öffentliche und gemeinnützige Kulturbetriebe sind gerade mal im Web 1.0 angekommen, d.h. sie haben eine einigermaßen gut funktionierende Homepage. Die zahllosen Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – weithin unbekannt.
2) Web 2.0 -â€das Mitmach-Webâ€, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere “Web 2.0″-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Sehen Sie hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?
Auf jeden Fall. Nehmen sie Brechts‘ Radiotheorie aus den zwanziger Jahren. Sein Traum war ja, dass jeder Empfänger auch ein potentieller Sender werden könnte. Hier bieten sich ungeheure Möglichkeiten etwa in Hinsicht Database-Marketing, Besucherbindung durch Interaktion mit den „Kunden“ usw. Kommerzielle Anbieter, wie Amazon nutzen das ja schon, etwa durch Kundenrezensionen etc.
3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der “typische Kulturbetrieb†Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?
Siehe Frage 1. Die kommerziellen sind da schon sehr viel weiter (Beispiel Ticketing, Beispiel Database-Marketing usw.) als die meisten öffentlichen Kulturbetriebe. Dabei konkurrieren sie mehr oder weniger um das selbe Publikum.
4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?
Geschickte, „exzellente“ Kultureinrichtungen werden sich immer mehr mit diesen Möglichkeiten auseinandersetzen, insbesondere um ein junges Publikum zu gewinnen, für die entsprechende Online-Angebote (beispielsweise von Wirtschaftsunternehmen) heute längst den Standard bieten.
Ich sehe das bei vielen Abschlussarbeiten an unserem Institut, die ich betreue, in welchen Bahnen die Studenten denken: Da wird die Zukunft gestaltet! Die öffentlichen Kulturbetriebe werden leider wieder mal hinterher hinken. Versuchen Sie mal, in einem Stadttheater einen Platz per Internet zu reservieren und zu bezahlen, dann wissen Sie, was ich meine. Insbesondere hinsichtlich der Kundenbindung sehe ich hier ganz viel Potenzial.
5) Was raten Sie Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?
Ich bin sicherlich im Kulturmarketing ein Experte, aber nicht im Online-Marketing. Deshalb würde ich mir auf jeden Fall einen Experten holen, der die Potenziale aufbaut. So haben wir das bei uns im Institut gehalten und hierfür eine Stelle eingerichtet. Über diese Entscheidung kann ich mich jeden Tag freuen.
6) Vielen Dank
für das Interview!
Zur aktuellen Befragung
Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?
Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.
Das ersten Interviews gaben mir
- Christian Henner-Fehr (Das Kulturmanagement Blog)
- Jennifer Hoffmann (Blog: “Kulturmarketing und Weiterbildung im digitalen Zeitalterâ€)
- Jörn Borchert (Blog: Kulturelle Welten)
- Christian Holst (Blog: Kulturblogger)
- Simon A. Frank (Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg; Blog: kunstistauchkaktus)
- Roger Levy (kulturTV.ch)
- Jan Smacka (Webmaster kulturmarken.de)
- Dirk Heinze (Kulturmanagement Network)
- Thilo Martini (Mai-Tagung: Museums And The Internet)
- Alexander Süß (kulturlinxx.de)
- Sabine Gysi (Jazzclub Moods, Salonpalaver)
Weitere werden folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…
Der Hinweis auf Brechts Radiotheorie ist sehr interessant! Dass man mit Web 2.0 junges Publikum gewinnt, glaube ich allerdings nicht. Man erreicht es vielleicht besser und selbstverständlicher, gewinnen bzw. überzeugen müssen m.E. nach wie vor die Inhalte und da liegen die Probleme rein in künstlerischer Schnöseligkeit, nicht im Kulturmarketing.
Bei jedem öffentlichen Theater, das ich in den letzten fünf Jahren besucht habe (auch bei den kleinen Stadttheatern), ließen sich übrigens problemlos Karten per Internet kaufen. Dass das heute immer noch ein Problem sein soll, halte ich für eine unberechtigte Kritik.
@kulturblogger:
Zum Thema Publikum über Web 2.0 gewinnen:
Klar muss das Publikum, so es einmal in der Kultureinrichtung eingetroffen ist, durch die Inhalte überzeugt werden.
Aber meiner Ansicht nach kann das Internet, insbesondere Web 2.0
1. (junge) Leute überhaupt erst auf die Idee bringen, eine Kultureinrichtung zu besuchen (indem die Kultureinrichtung mit dem potenziellen Publikum in Dialog tritt, z.B. über Plattformen, wo dieses sich aufhält (MySpace, Facebook, Flickr, YouTube…)
2. neugierig machen z.B. über Hintergrundberichte
3. Barrieren und Schwellenängste abbauen, die beim Publikum den Besuche der Kultureinrichtung verhindern – durch Hintergrundinfos, Blick hinter die Kulissen usw.
4. Vermittlungsarbeit leisten
5. Das Publikum einbinden (über Blogdiskussionen, Flickr-Projekte, andere Kollaborationsprojekte) und so an die Einrichtung binden.
6. Das Verständnis beim Publikum für (vielleicht schwierige) Themen erhöhen (auch wieder: Hintergrundberichte, Interviews und Stellungnahmen des Künstlers/ Regisseurs usw…)
Das geht über das Internet einfacher, direkter und kostengünstiger als auf herkömmliche Weise (Print, Radio, TV usw.)
Klar ist Web 2.0 kein Allheilmittel, wenn die künstlerische Leistung nicht überzeugt, kommt der frisch über Web 2.0 gewonnene Besucher dann 1 mal und nie wieder.
Aber es geht ja nicht darum, dass man entweder in die künstlerische Leistung oder in Web 2.0-Maßnahmen investiert – die künstlerische Leistung steht im Vordergrund, das ist klar.
Ein gutes Blog kann eine schlechte Theateraufführung auch nicht besser machen.
Aber eine gute Aufführung kann durch Web 2.0-Maßnahmen einen höheren Bekanntheitsgrad erreichen, stärker oder von einem best. Publikum überhaupt erst wahrgenommen werden und besser verstanden werden…
So sehe ich das…
Zum Thema Theaterkarten über das Internet bestellen: Da habe ich auch in letzter Zeit keine schlechten Erfahrungen mehr gemacht…
Wenn der Kulturmarketing-Nachwuchs für die staatlichen Häuser so ausgebildet wird – sehr schön.
Erfrischend einmal zu hören, dass die privaten Anbieter im Marketing ein Stück weiter sind – und Vorbildcharakter haben können.
Diese Erkenntnis ist doch schon die halbe Miete.
Wenn geförderte Häuser sich klar zum Ziel einer optimalen Vermarktung bekennen bin ich sicher, dass die Akzeptanz staatlich geförderter Kultur-Angebote erhalten bleiben wird.
Auch der Hinweis auf das Database-Marketing: genau richtig.
Aber so lange geförderte Anbieter noch immer nicht verstanden haben, dass sie die grossen Verlierer im Ticketing-Markt sind wird sich da wohl nichts ändern und die negativen Auswirkungen
ihrer Teilnahme am privaten Markt wird zwar die Ticketsysteme erfreuen, den Markt aber weiter zu Ungunsten aller Ticket-Anbieter verzerren.
Danke für das tolle Interview, das macht mal Freude zu lesen, dass dort von wissenschaftlicher Seite etwas in Bewegung gerät.
[…] Prof. Dr. Armin Klein (Leiter des Studienganges Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg) […]
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