ExpertInnenbefragung zum Thema Online Marketing im Kulturbereich: Interview mit Christian Holst

Das vierte Interview zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich:

Christian Holst

foto christian holstChristian Holst hat ein Studium der Angewandten Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg absolviert und war danach einige Jahre als Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Oldenburgischen Staatstheater tätig.
Heute arbeitet er als Projektmanager und -berater für NPOs und Kulturinstitutionen und als Autor und Referent u.a. für die Corveyer Musikwochen.
In seinem Blog kulturblogger schreibt er über Kultur und Gesellschaft, besonders gerne über „Hochkultur und was diese im Web 2.0 auf die Beine stellt“.

 

 

Zu den Fragen

Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert. “Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionieren”, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen. Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?

Das hängt etwas davon ab, was man unter Kultur versteht. Denn im Bereich der populären Kultur und der Kreativwirtschaft wird das Internet mit all seinen Möglichkeiten als Marketing- und Vertriebskanal, aber auch als Produktionswerkzeug, ganz selbstverständlich eingesetzt. Im Bereich der sog. Hochkultur wird es auch flächendeckend genutzt, aber nicht mit dem gleichen Pioniergeist und der gleichen Selbstverständlichkeit. Mein Eindruck ist allerdings, dass auch hier langsam eine Web 2.0-Euphorie aufkeimt, die andernorts bereits vor zwei, drei Jahren auf ihrem Höhepunkt war.

2) Web 2.0 -„das Mitmach-Web“, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere „Web 2.0“-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Siehst Du hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?

Auf jeden Fall. Das eine ist die Vielzahl von neuen Tools und Diensten, die Du ja bereits aufgezählt hast, die interessante neue Möglichkeiten bieten, die eigene Arbeit zu präsentieren. Was diesen Punkt anbelangt ist das Web 2.0 eigentlich eine ideale Plattform gerade für Kultureinrichtungen, schließlich geht es hier um Geschichten und Inhalte. Das ist das tägliche Geschäft von Kultureinrichtungen. Anders als Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, die erst die Geschichten zu ihren Produkten und Leistungen erfinden müssen.

Das andere betrifft eine neue Art, mit dem Publikum und Stakeholdern allgemein umzugehen. Web 2.0 steht ja nicht nur für eine Reihe technischer Neuerungen, sondern auch für eine Philosophie der Vernetzung auf gleicher Augenhöhe, Mitwirkung, Teilhabe usw. Arnim Klein spielt darauf an, wenn er sagt, dass das Internet die Kommunikationsgewohnheiten und Austauschbeziehungen ändere. Diese Philosophie ist den meisten Kultureinrichtungen jedoch fremd; sie sehen sich typischerweise in einer erzieherischen Rolle ihren BesucherInnen gegenüber, als aktiven Kommunikator gegenüber einem passiven Publikum. Dieses Modell funktioniert im vergesellschafteten Web 2.0 aber nicht mehr, hier ist jeder Kommunikator und Publikum zugleich. Möglicherweise ist das ein wichtiger Grund für die bisherige Zurückhaltung von Kultureinrichtungen im Web 2.0. Es wird aber ein sehr spannender und lehrreicher Prozess für Kultureinrichtungen werden, sich darauf einzulassen, eben weil es eine ganz neue Denkweise erfordert. Die Chancen und Potenziale gehen daher weit darüber hinaus, zukünftig einfach noch ein paar mehr Leute als bisher zu erreichen.

3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der „typische Kulturbetrieb“ Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?

Üblich sind ein Internetauftritt, mitunter angereichert mit interaktiven oder multimedialen Elementen wie Videoclips, Foren, Verlosungen, Umfragen, teilweise auch Online-Shops, wo Merchandising-Artikel verkauft werden. Ebenfalls Standard ist ein Veranstaltungskalender mit angeschlossenem Ticketshop. Hier und da werden auch bereits die typischen Web 2.0-Dienste eingesetzt, wie z.B. beim Videocast der Berliner Philharmoniker. Was aber bisher völlig fehlt, ist eine langfristig angelegte Interaktion mit den BesucherInnen.

4) Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?

Die Web 2.0-Dienste werden an Bedeutung gewinnen. Die nächsten Jahre werden da eine Zeit des Ausprobierens sein. Meinem Eindruck nach deutet sich derzeit ein gewisser Hype mit teilweise sehr hochgeschraubten Erwartungen an, den andere Branchen schon vor einiger Zeit durchgemacht haben. Dem wird vermutlich eine gewisse Ernüchterung folgen und schließlich wird es – allerspätestens in fünf Jahren – ein selbstverständlicher Bestandteil der Marketingkonzeption sein.

5) Was rätst Du Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?

Erst mal mit einer Sache anfangen und diese bis zur Perfektion ausarbeiten, z.B. den eigenen Veranstaltungskalender in die Kulturdatenbank einspeisen (kulturportal.de), Presseinformationen per Feed zur Verfügung stellen, twittern, wie es die Duisburger Philharmoniker seit kurzem tun oder sich in sozialen Netzwerken zu Wort melden. Später können dann z.B. ein Blog oder eine eigene Community oder ähnliches dazukommen. Da man all diese Dienste praktisch ohne Aufwand und speziellere Kenntnisse in kürzester Zeit starten kann, ist die Gefahr groß, zu viel und nichts richtig zu machen. Die Enttäuschung wäre dann vorprogrammiert. Deswegen lieber Schritt für Schritt vorgehen.

6) Vielen Dank! Besonders interessant finde ich die Gedanken, die Du zu Philosophie des Web 2.0 und Hochkultur einbringst – kann das zusammen gehen?

___________________________________________________

Zur aktuellen Befragung

Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?

Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.

Das ersten Interviews gaben mir

Weitere werden in den nächsten Tagen folgen.
Ich habe einige Zusagen und bin schon gespannt auf neue Ideen, Aspekte und Sichtweisen…