Expertenbefragung zum Thema
Online-Marketing im Kulturbereich:
Interview mit Annette Schwindt
Interview Nr. 20 meiner Expertenbefragung zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich:
Annette Schwindt
Annette Schwindt ist DPRG-geprüfte Beraterin für Public Relations, gelernte Zeitungsredakteurin und auch selbst künstlerisch tätig.
Mit ihrer Ein-Frau Agentur schwindt-pr hilft sie seit 2002 Kulturschaffenden weltweit, ihre Onlinekommunikation aufzubauen oder zu verbessern.
In ihrem deutschen Agenturblog führt sie außerdem in die Grundlagen von Social Media ein. Demnächst erscheint ihr eBook zum Thema Facebook.
Zu den Fragen
Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert. “Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionierenâ€, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen. Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?
Aus meiner Erfahrung kann ich dazu nur Nein sagen. Ich arbeite mit einzelnen Künstlern aus der ganzen Welt (Musiker, bildenden Künstlern, Autoren) zusammen. Viele hatten nicht mal eine vernünftige statische Website, bevor sie zu mir kamen, geschweige denn irgendwelche Onlineaktivitäten im Social Media Bereich.
Den meisten ist das zu aufwändig. Sowohl zeitlich als auch von der Einarbeitung in ein Medium, dem sie nicht vertrauen. Nur wenige sehen das spielerisch und probieren es einfach mal aus – und finden dann sogar Gefallen daran. Wenigstens die größeren Namen trauen sich jetzt auch mal an eine Facebook-Fanseite oder einen Twitteraccount ran.
2) Web 2.0 -â€das Mitmach-Webâ€, wird zurzeit viel diskutiert. Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere “Web 2.0″-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet. Siehst Du hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?
Definitiv! Dank Social Media ist es jedem möglich, auch ohne HTML-Kenntnisse im Web aktiv zu sein. Man muss den Kulturschaffenden nur die Angst davor nehmen, indem man ihnen alles genau erklärt.
Daher zeige ich meinen Kunden zunächst, wie welche Art von Onlineaktivität funktioniert, wieviel Aufwand das in der Pflege bedeutet und welche Vorteile ihnen das bringt. Wenn sie sich dann für eine oder mehrere Maßnahmen entschieden haben, richte ich alles so für sie ein, dass sie es nur noch nutzen müssen, wobei ich ihnen weiter beratend zur Seite stehe.
Wichtig ist, dass die Bereitschaft entsteht, sich auf einen Dialog mit den Lesern/Fans einzulassen. Wer selbst keine Erfahrung damit hat, ist froh, eine Fachkraft an seiner Seite zu wissen, die ihm hilft, da reinzufinden.
3) Zum Status Quo des Online-Marketings in Kultureinrichtungen: Wie betreibt denn der “typische Kulturbetrieb†Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?
Zum „typischen Kulturbetrieb“ kann ich nichts sagen, ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen. Danach haben manche gerade mal eine rudimentäre statische Website, die meistens schlecht codiert und nicht nutzerorientiert ist – wenn überhaupt eine Website vorhanden ist.
Von einem Newsroom oder RSS haben die wenigsten gehört (viele haben noch nicht mal eine physische Pressemappe, sondern schicken bei der Frage nach Pressematerial den Zeitungsartikel zu ihrer letzten Veranstaltung).
Selbst größere Einrichtungen hier in Bonn sind noch in den Anfängen des web1.0 hängen geblieben oder verschicken weiterhin gedruckte Informationen auf teurem Papier, statt wenigstens auf E-Mail umzustellen (wenn sie schon kein RSS anbieten).
Einige Künstler verschicken hin und wieder Einladungen zu ihren Veranstaltungen per Mail, einige haben einen Myspace oder sind auf Facebook zu finden. Oft werden diese aber nur zum Broadcasten und nicht dialogorientiert verwendet.
4) Blick in die Zukunft:
Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online-Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?
Ich wünsche mir, dass Kulturschaffende die Angst vor dem Medium Internet ablegen und sich trauen, auch mal etwas auszuprobieren. Es muss ja nicht gleich Twitter sein, ein Blog oder eine Facebook-Fanseite wären schon ein Anfang. Es gibt genügend Fachleute wie mich, die ihnen dabei helfen können, herauszufinden, was für sie die richtigen Maßnahmen sind und wie man diese in die Tat umsetzt.
Die Zahl derer, die es versuchen, wird weiter wachsen, und diese Kulturschaffenden können sich andere dann zum Beispiel nehmen und auch davon profitieren, wenn sie sich anschauen, wie es bei denen gelaufen ist.
5) Was rätst Du Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp von der Expertin?
Da gibt es keine Pauschalantwort.
Ich würde mir zunächst ansehen ob und wenn ja welche Art von Website bereits vorhanden ist. Meistens gibt es da schon eine Menge zu tun. Vielen ist nicht klar, dass das bereits zur Online-PR gehört. Danach würde ich mir anschauen, welche Aktivitäten im Social-Media-Bereich für sie Sinn machen könnten, das mit ihnen besprechen und umsetzen.
Auf keinen Fall sollte man ohne Vorkenntnisse einfach irgendetwas online starten, nur weil es gerade „in“ ist (z.B. Twitter). Um Fehler und Reputationsschaden zu vermeiden, sollte man sich das zuerst von jemandem erklären lassen, der bereits Erfahrung damit hat, und sich dann in Ruhe an die Maßnahmen heranführen lassen, die auch für die eigenen Ziele und Möglichkeiten geeignet sind.
6) Vielen Dank!
Zur aktuellen Befragung
Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?
Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger ExpertInnen einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.
Weitere Interviews zu diesem Thema gaben mir
- Christian Henner-Fehr (Das Kulturmanagement Blog)
- Jennifer Hoffmann (Blog: “Kulturmarketing und Weiterbildung im digitalen Zeitalterâ€)
- Jörn Borchert (Blog: Kulturelle Welten)
- Christian Holst (Blog: Kulturblogger)
- Simon A. Frank (Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg; Blog: kunstistauchkaktus)
- Roger Levy (kulturTV.ch)
- Jan Smacka (Webmaster kulturmarken.de)
- Dirk Heinze (Kulturmanagement Network)
- Thilo Martini (Mai-Tagung: Museums And The Internet)
- Alexander Süß (kulturlinxx.de)
- Sabine Gysi (Jazzclub Moods, Salonpalaver)
- Prof. Dr. Armin Klein (Leiter des Studienganges Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg)
- Prof. Dr. Steffen Höhne (Leiter des Studienganges Kulturmanagement an der Hochschule Franz Liszt, Weimar)
- Frank Tentler (Leiter des Webteams der Duisburger Philharmoniker)
- Burkhard Rosskothen (einfallsreich Marketingkommunikation GmbH&KoKG, einfallsreich.tv, einfallsreich Blog)
- Ulrike Schmid (Blog: Kultur 2.0, Social Media Consultant der Kronberg Academy)
- Christoph F. Mathiak (Berliner Gesellschaft für Kulturnarketing, Portal tixclub.de)
- Sabrina Fütterer (Hohner Konservatorium Trossingen / ikum Kulturberatung)
- Dr. Kerstin Hoffmann (Blog: PR-Doktor)
[…] Interview lesen […]
Frau Schwindts Einschätzung kann ich nur bestätigen. Wenn ich überlege, wie in der Öffentlichkeitsarbeit immer noch die gedruckte Rezension, bzw. Konzertkritik im Focus steht… dabei gibt so viele effizientere Möglichkeiten, gerade im Web. Was die Duisburger Philharmoniker vormachen, halten die meisten Markteting-„Strategen“ anderer Orchester noch für Spielerei. Pech gehabt
Das große Problem derzeit ist doch, dass Twitter mit seinen 140 Zeichen eine unheimliche Faszination ausübt. Wahrscheinlich ist es die Aussicht, nur 140 Zeichen zu brauchen, um mit den anderen mitzuhalten.
Ich halte Twitter für den kompliziertesten Kommunikationskanal im Social Media Mix und wenn man dann die ganzen Neueinsteiger eine Zeit lang verfolgt, kann man erahnen, dass das nicht gut gehen wird.
Es fehlt das Fundament, es fehlt (meistens) ein Blog, in dem man experimentieren kann. In dem man sich der Herausforderung stellen muss, sonst gibt es den nächsten Beitrag nämlich einfach nicht.
Annette hat Recht, ohne Unterstützung geht das vielleicht noch in einem kleinen Rahmen. Mittlere und größere Kultureinrichtungen tun sich keinen Gefallen, wenn Twitterexperimente den Einstieg in das Social Web bedeuten.
Twitter ist ein interessantes Thema. Das größte Problem sehe ich in der Beliebigkeit. Man liest ja aus der Flut der Tweets nicht das heraus, was wichtig oder interessant wäre, sondern was oben steht, wenn man zufällig mal draufschaut (wer ALLE Tweets mitverfolgt, bitte bei mir melden, das gibt ein Freibier!). Ich glaube, Twitter ist eine Art Beta-Version zu einem komplexeren Tool, das noch kommen wird.
Hagen Kohn
@vioworld:
da gebe ich dir recht, twitter ist, sobald man mehr als 50 leuten folgt, eine flut von infos, der man ohne schlaue filter kaum herr wird.
oder man liest einfach dann, wenn einem nach twitter ist das, was da gerade so kommt – dann versäumt man aber eventuell wichtige infos.
20 arten, twitter zu filtern beschreibt mashable hier:
http://mashable.com/2009/07/03/twitter-filter