Expertenbefragung zum Thema Online-Marketing im Kulturbereich: Interview mit Christian Henner-Fehr

Kurze Unterbrechung meiner Serien – gerade beschäftigen mich folgende Fragen…

Hat das Internet schon Einzug gehalten in den Kulturbereich? Wird es für das Marketing genutzt? Wie sieht der Status Quo des Online Kulturmarketing aus und was könnte die Zukunft bringen? Was sagen Experten dazu?

Studie gibt es bisher keine zu diesem Thema; ich habe beschlossen, die Einschätzung einiger Experten einzuholen und die Interviews in mein Blog zu stellen – und dann abschließend eine Auswertung zu liefern.

Los geht`s.

Mein erster Interview-Partner ist Christian Henner-Fehr.

Foto Christian Henner-Fehr Er hat Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Erlangen und Kulturmanagement in Wien studiert ist als Kulturmanager in Wien tätig – mit Dingen wie Weblogs oder Wikis beschäftigt er sich schon lange, er experimentiert auch immer wieder gerne mit neuen Tools „um dem Kunst- und Kulturbereich neue Möglichkeiten für die PR- und Öffentlichkeitsarbeit zu erschließen.“
Seit bald 2 Jahren betreibt er ein Weblog – Das Kulturmanagement Blog – in so etlichen seiner mittlerweile über 600 Beiträge geht es um Kulturmarketing, Online-Marketing und Web 2.0.

Nun zu den Fragen:
Das Internet hat das Marketing, dabei vor allem die Kommunikationspolitik, grundlegend verändert.
„Kein anderes Medium veränderte in den letzten Jahren sowohl die Kommunikationsgewohnheiten als auch die Austauschbeziehungen in vergleichbarer Weise wie das Internet und wird es in den nächsten Jahren weiterhin revolutionieren“, sagt dazu Dr. Armin Klein, Professor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

1) Mehr und mehr Unternehmen ergänzen ihren Marketing-Mix durch Online-Marketing-Maßnahmen.Wie sieht es im Kulturbereich aus? Hat sich das Internet im Kulturmarketing schon durchgesetzt?

Sicherlich schickt man heutzutage im Kunst- und Kulturbereich keine Briefe mehr, sondern kommuniziert per Email miteinander. Auch eine eigene Website ist mittlerweile so gut wie selbstverständlich. Insofern könnte man sagen, dass das Internet in den Kultureinrichtungen angekommen ist und – zumindest in Ansätzen – auch für Marketingzwecke genutzt wird. Das Potenzial, das uns das Internet für Marketingaktivitäten bietet, ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn Armin Klein recht hat mit seiner Behauptung, dass das Internet unsere Kommunikationsgewohnheiten in den nächsten Jahren revolutionieren wird, dann haben wir heute noch gar keine Vorstellung davon, was alles möglich sein wird. Insofern arbeiten wir zwar heute im Marketingbereich schon mit dem Internet, aber wir nutzen die Potenziale noch nicht aus.

2) Web 2.0 -„das Mitmach-Web“, wird zurzeit viel diskutiert.
Anfangs wurden Blogs, Podcasts, Wikis und andere „Web 2.0“-Anwendungen eher als Spielzeug der Webaffinen gesehen, in jüngster Zeit werden Anwendungsmöglichkeiten für das Marketing ausgelotet.
Siehst Du hier Potenziale und Chancen für das Online-Marketing von Kultureinrichtungen?

Ich denke, es ist eine Tatsache, dass sich das Verhältnis zwischen den Produktanbietern und Kunden gewandelt hat. Letztere haben wesentlich Marktmacht als noch vor einigen Jahren. Zum Ausdruck kommt das unter anderem durch den Begriff des Prosumenten, mit dem wir ein eher aktives Verhalten verbinden im Unterschied zum passiven Konsumenten.

Nun gilt es, die Aufmerksamkeit der Prosumenten zu erregen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Nur leider lassen sich diese Gespräche immer weniger kontrollieren, vor allem wenn die Prosumenten nicht mit dem Anbieter eines Produktes sprechen, sondern mit anderen Prosumenten. Wir vertrauen nicht mehr der Werbung, dem Produktanbieter, sondern wollen wissen, was die Kunden darüber sagen. Wer heute beispielsweise ein Hotel bucht, wird erst auf den diversen Bewertungsplattformen nachschauen, was andere über dieses Hotel sagen, bevor er bucht.

Diese Form des Empfehlungsmarketings hat in den letzten Jahren mehr und mehr zugenommen und wird durch das Web2.0 und die Möglichkeiten der sozialen Interaktion noch verstärkt. Was für Hotels, Handwerker, etc. gilt, lässt sich natürlich auch auf den Kunst- und Kulturbereich übertragen. Schon seit Jahren lesen wir auf der Website von Amazon, was andere zu einem Buch schreiben, dessen Kauf wir uns gerade überlegen.

Ähnlich funktioniert das natürlich auch mit Konzerten, Ausstellungen und vielen anderen Angeboten im Kunst- und Kulturbereich. Während man früher am Telefon erzählt hat, ob das Konzert gut oder schlecht war, teilt man seine Meinung heute online mit und kann mit einem Mausklick sehr viel mehr Menschen erreichen als früher.

So gesehen ist das Internet ein ideales Medium, um Marketing zu betreiben. Den Chancen stehen aber auch große Risiken gegenüber, denn die Kommunikation über mein Angebot lässt sich nicht mehr kontrollieren und steuern.

3) Zum Status Quo des Online-Marketing in Kultureinrichtungen:
Wie betreibt denn der „typische Kulturbetrieb“ Online-Marketing? Welche Möglichkeiten sind Kulturbetrieben bekannt, welche Maßnahmen führen sie durch?

Die Frage ist, was wir unter Online-Marketing überhaupt verstehen? Wenn es die Übertragung einzelner Maßnahmen von der Offline- in die Online-Welt ist, dann hat der typische Kulturbetrieb heute eine Website, über die er sein Publikum informiert und über die sich unter Umständen auch Tickets erwerben lassen.

Die Chance, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen, es kennen zu lernen und von ihm zu lernen, wird vom typischen Kulturbetrieb gar nicht genutzt. Es gibt einzelne Enthusiasten, die – oftmals gegen viele Widerstände – so Dinge wie Weblogs oder Twitter ausprobieren. Aber der Regelfall ist das nicht.

4) Blick in die Zukunft:
Was wird in den nächsten 3-5 Jahren im Online Kulturmarketing passieren? Wie werden Kultureinrichtungen das Internet im Marketing nutzen? Wohin geht die Entwicklung?

Die Zahl der Kulturbetriebe, die ein Weblog betreiben, in Social Networks aktiv sind oder zum Beispiel Videoplattformen für Werbezwecke einsetzen, wird in den nächsten Jahren sicher zunehmen. Die meisten Kultureinrichtungen werden aber auch in fünf Jahren noch einen großen Bogen um das Web2.0 herummachen. Auch deshalb, weil das Web2.0 eher antihierarchisch funktioniert und viele Kultureinrichtungen noch über sehr hierarchische Strukturen verfügen. Das heißt nicht, dass ein hierarchischer Betrieb kein Weblog betreiben kann, nein. Aber die Frage ist, ob das dann authentisch wirkt? Vielleicht steht der Begriff Web2.0 gar nicht so sehr für einen Technologiesprung, sondern für eine neue Geisteshaltung?

5) Was rätst Du Kultureinrichtungen, die mit Online-Marketing starten oder die ihr Online-Marketing verbessern wollen? Kurzer Tipp vom Experten?

Einfach alles ausprobieren, was einen interessiert. Die nächste Premiere mit einem Videoclip auf YouTube ankündigen, Podcasts produzieren, in Social Networks aktiv sein, ein Weblog betreiben oder twittern. In erster Linie geht es hier um Kommunikation von Mensch zu Mensch. Und die soll vor allem Spaß machen. Erst dann kommen Ziele und Strategien.

6) Vielen Dank für Deine ausführliche und interessante Stellungnahme!